Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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— Haffkines famose Pestlymphe soll nunmehr von der englischen Re 
gierung in Indien allgemein eingeführt werden. Die Resultate sind aber 
mich glänzend. Von 49 432 an der Pest Erkrankten sind trotz der Lymphe 
„nur“ 39 398 gestorben! Es ist ein Skandal, dass die indische Regierung 
auf diesen plumpen Schwindel des Herrn Haffkine hineinfällt; allerdings 
wagt sie nicht die Zwangsimpfung einzuführen, weil sie einen Aufstand der 
Bevölkerung fürchtet. Die Wissenschaftlichkeit des Verfahrens erhellt aus 
dem Umstande, dass Haffkine (nebenbei gesagt ein Nichtarzt) sich erst vor 
18 Monaten auf das Studium der Pest verlegte. 
—-#§ Aus der Zeit, ffc— 
— Der 26. deutsche Aerztetag in Wiesbaden nahm einstimmig die Theser. 
an, welche gegen die Zulassung bezw. gegen die Erleichterung des medizinischen 
Studiums für die Frauen sich aussprechen. Das ist bezeichnend, weil es 
beweist, dass die Herren Mediziner selbst jeden Fortschritt bekämpfen, wenn 
sie damit eine Konkurrenz aus dem Felde schlagen können. 
— Aerztliche Anmassung. Die 35jährige Gattin eines Berliners wurde in 
einer Klinik operiert, in der folgenden Nacht starb die Patientin an den Folgen der 
Operation. Erst am darauffolgenden Tage wurde der Ehemann benachrichtigt; 
derselbe besorgte die nötigen Formalitäten und betonte, er werde die Leiche 
am Freitag abholen. Als er kam, hatte man die Frau ohne Erlaubnis des 
Mannes auch noch seziert. — Wenn derartiges jetzt ungestraft geschehen 
darf, wie soll es erst werden nach Einführung der von den Aerzten ange 
strebten Reform en ? 
— Vergiftungen durch Vanille-Eis sind mehrfach vorgekommen. Professor 
von Leyden ist der Ansicht, dass die Schädigungen durch eine in der Vanille 
enthaltene ölige Flüssigkeit, Cardol genannt, hervorgerufen werden. 
— Eine Fango-Heilanstalt ist, wie bereits früher in Berlin, so auch in 
Wien errichtet worden. Die Fango-Behandlung, bestehend in Schlammbädern 
und Schlamm-Packungen, ist sehr einträglich für die Unternehmer, da der 
Schmutz eine besondere Anziehungskraft auszuüben scheint auf gewisse 
Menschen — die nicht alle werden. 
— Eine kleine Typhus-Epidemie ist in Lübeck ausgebrochen und zwar an 
geblich infolge Genusses von roher Milch. Daraufhin wird in der Zeitschrift 
für Med. Beamte energisch darauf hingewiesen, dass Milch nur abgekocht 
genossen werden solle. 0 heilige Einfalt! Und doch ist rohe Milch ver 
daulicher und nahrhafter, als abgekochte, nur sorge man für Reinlichkeit bei 
der Milchgewinnung! — 
— Schon wieder ein neues Mittel gegen Tuberkulose ist entdeckt worden 
und zwar von einem Arzt: Dr. Lambert in Namur, der damit ein im Sterben 
befindliches tuberkulöses Kind gerettet haben will. Wohlweislich verschweigt 
Herr Dr. Lambert die Zusammensetzung seiner chemischen Substanz, sonst 
käme dieser neue Schwindel am Ende zu früh an den Tag. 
— Gegen die Vivisektion nimmt nunmehr auch der Verein für öffentliche 
Gesundheitspflege in Hamburg Stellung. 
— Gemassregelt ist neuerdings ein zweiter Arzt, Dr. G. in Radebeul, 
weil derselbe im Naturheilverein in Neukirch einen Vortrag über Gesundheits 
pflege gehalten hat. Der ärztliche Bezirksverein in Dresden hat ihm 300 Mk. 
Geldstrafe zudiktiert. Hoffentlich stellt der also „Bestrafte“ den Antrag, die 
Herren des Bezirksvereins auf ihren Geisteszustand untersuchen zu lassen. 
— Der Berliner Verein für häusliche Gesundheitspflege hat — man höre 
und staune — am 11. Juni ein Pferderennen, also eine Tier- und Menschen 
hetze veranstaltet. Hoffentlich bringt es der Verein demnächst zu Stier 
gefechten und Boxerkämpfen. Die Heilung der dabei zu Schaden Gekommenen 
gehört ja auch zur „häuslichen Gesundheitspflege“.
	        
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