Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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kulären und harmlosen Anginen gefunden hat w , so wird unser Glaub© 
an die krankheitserregende Kraft des Diphtheriebazillus ernstlich er 
schüttert. Das Auftreten der Bazillen behält höchstens die Eigen 
schaft einer Begleiterscheinung. 
Stellen wir uns aber trotzdem auf den Standpunkt der bak 
teriologischen Schule, so wird uns aus dem Brunnquell der Serum 
therapie wenig Trost zufliessen, auch wenn wir die Thatsache aner 
kennen, dass das Beringsche Diphtherieserum den Diphbheriebazill 
tötet, ebenso wie dies ähnlich durch das Pestserum mit dem Pestbazill, 
durch das Tetanusantitoxin mit dem Tetanusbazill und durch das 
Tuberkulin mit dem Tuberkelbazill geschieht. Wenn wir aber weiter 
wahrnehmen müssen, dass die den letzten drei Bazillenarten ent 
sprechenden Krankheiten trotz Abtötung der Bazillen nicht ver 
schwinden, wenn wir sehen, wie trotz des vielgepriesenen Tuberkulins 
tausende und abertausende an der Schwindsucht sterben, wie der 
Tetanus trotz des genannten Gegenmittels nicht auf hört, wie zuletzt 
nach dem Ausspruche der K. K. österreichischen Pestkommission, 
trotz Pestserum keinerlei Resultate im Kampf gegen die mörderische 
Pest zu verzeichnen sind, so können wir aus der Thatsuche des 
nachgewiesenen Bazillentodes durch das Diphtherieserum doch keine 
Hoffnungen für die leidende Menschheit schöpfen. 
Kein Wunder, wenn auch die klinischen Beobachtungen den ge 
machten Schlussfolgerungen negativer Art entsprechen. 
„Heilte das Serum,“ so sagt Professor Kassowitz in Wien, 
„so müssten die Nacherkrankungen der Diplitheritis (Lähmungen, 
Albuminurie und Nierenentzündung) wegfallen“. 
Da dies nicht der Fall ist, da im Gegenteil die Serumimpfung 
noch eine Anzahl bisher nicht beobachteter Krankheitserscheinungen 
hervorbringt, so kann von einer Heilun g füglich nicht die Rede sein. 
Behring selbst war über das Nichtverschwinden der Nacherkran 
kungen bestürzt. Vor allem waren es die vielen Fälle von Herz 
tod bei Serumbehandlung, welche die Serumenthusiasten stutzig 
machten. 
Heute meint man allerdings wieder einen Ausweg aus dieser 
Mausefalle gefunden zu haben, indem man kühl lächelnd sagt: „Jetzt 
überstehen eben viele die ersten Stadien der Krankheit und erleben 
noch den Herztod. 
Klingt das nicht wie Ratsherrenweisheit aus Schilda? 
Selbst wenn Professor Behring mit Stolz darauf hinweisst, wie 
er in seinem Heilserum ein Antipyreticum (Fiebermittel) ersten 
Ranges gefunden habe, welches spätestens innerhalb 24 Stunden das 
Fieber zum Fallen bringt, so widersprechen dieser Behauptung 
wenigstens in Bezug auf schwere Fälle eine geradezu erdrückende 
Anzahl von ersten medizinischen Autoritäten, wie Professor Sonneburg, 
Professor Ranke, Professor Ganghofer, Professor Soltmann u. a., 
während dieselben andererseits beobachten, dass in leichten Fällen 
auch ohne Serumbehandlung oft ein plötzliches Herabsinken der Tem 
peratur eintritt. 
Wie war es aber trotz alledem möglich, dass Professor Behring zu 
folge seiner Entdeckung in einem Jahre Millionär werden konnte. 
Es war der alte Trick, mit statistischen Daten zu jonglieren. 
Muss man nicht überrascht sein, wenn man in der Wiener kli~
	        
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