Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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Gera wurde als Ort der nächsten Bundesversammlung bestimmt. Die Dele 
gierten zur Bundesversammlung (auf 1000 Bundesmitglieder 1 Delegierter) 
werden forthin durch Urwahl bestimmt und aus der Bundeskasse honoriert. 
Die Vereine Charlottenburg I, Köpenick und Steglitz haben die Rechnungs 
prüfer zu stellen. — Am Abend des zweiten Verhandlungstages wurde der 
81jährige Nestor der deutschen Naturärzte, Herr Dr. med. Schulze-Berlin 
zum Ehren-Vorsitzenden und Herr Oberst Spohr in Giessen zum Ehren- 
mitgliede des Deutschen Bundes ernannt. Um 12 Uhr nachts wurde die 
Bundesversammlung geschlossen. — Dem Verein Halle wurde seitens der 
Versammlung ein Hoch ausgebracht zum Danke für den würdigen Empfang 
und die Veranstaltungen, welche den Delegierten bereitet wurden. Ins 
besondere darf das Eest am Abend des ersten Tages als wohlgelungen be 
zeichnet werden. Herr Dr. med. Hirschfeld-Berlin hielt die Festrede, 
welche wir an der Spitze d. Bl. zum Abdruck bringen. Herrn Lehrer 
Bessler, dem Vorsitzenden des Vereins Halle, wurde der Dank der Dele 
gierten durch Erheben von den Sitzen dargebracht. 
— Ein Triumph der Naturheilkunde. Dass unsere praktischen Vertreter 
der Naturheilkunde unter Umständen sehr scharfe Augen haben, welche 
imstande sind, nicht nur der Menschheit zum Wohle, sondern auch der 
öffentlichen Rechtspflege zu dienen, beweist folgender höchst interessanter 
Eall: Im Anfang März d. J. wurde dem hier seit dieser Zeit ansässigen 
praktischen Vertreter der Naturheilkunde, Herrn C. H. Meyer, ein Mädchen 
von 10 Jahren zur Behandlung übergeben. Das Gesamtbild der vorhandenen 
und im Laufe der letzten 3 / 4 Jahre zu Tage getretenen Krankheitserscheinungen 
brachte Herrn C. H. Meyer zu der Ueberzeugung, dass, wenn das Kind 
nicht in erheblicher Weise Onanie triebe, mit demselben unbedingt unzüchtige 
Handlungen getrieben worden seien, er beschloss deshalb, der Sache auf 
den Grund zu gehen und fand bei dieser Gelegenheit seine letztere Ver 
mutung in vollem Masse bestätigt, ein Bursche von 17 Jahren war der That 
verdächtig und legte auch, nachdem er in Untersuchungshaft genommen 
war, zum Teil ein Geständnis ab. Er wurde unter Zubilligung mildernder 
Umstände von der fürstlichen Strafkammer zu Bückeburg zu 7 Monaten 
Gefängnis verurteilt. Als interessant, sowie als Triumph für die Naturheil 
kunde ist bei dieser Sache nun folgendes hervorzuheben: Im August vorigen 
Jahres bereits zeigten sich bei dem in Rede stehenden Mädchen folgende 
Erscheinungen: Die Brüste schwollen in auffälliger Weise an, dem Bauch 
nabel entlief eine trübe Flüssigkeit und die äusseren Geschlechtsteile zeigten 
sich bedeutend entzündet. Die Mutter zog den hiesigen Dr. med. und 
Sanitätsrat X (gleichzeitig Gerichtsarzt) zu Rate, derselbe begnügte sich 
damit, Lungen- und Herzthätigkeit zu prüfen und entliess Mutter und Kind 
mit dem Bemerken: das Kind ist bleichsüchtig, thun Sie demselben etwas 
zu gute. Dass es nun dem Herrn Doktor unangenehm war, dass gerade ein 
praktischer Vertreter der Naturheilkunde die von ihm seinerzeit nicht ge 
nügend beachteten Erscheinungen in der richtigen Weise auzunutzen ver 
stand, ist begreiflich, dass es aber der Herr Doktor mit ansehen musste, Herrn 
C. H. Meyer bei der Gerichtsverhandlung als gerichtlichen Sachverständigen 
neben sich zu haben, ist und bleibt ein Triumph der Naturheilkunde. 
Naturheilverein Stadthagen. K. Schramme. 
4015 Aerzle sind allein in den 3 Jahren von 1894—97 in Deutschland 
approbiert worden und zwar 1894/95:1357, 1895/96:1374 und 1896 97:1284.—- 
Kann unter diesen Umständen der „ärztliche Notstand“ noch überraschen? 
— Gesundheitslehre wird als Lehrgegenstand an den Bürgerschulen in 
Oesterreich laut Ministererlass eingeführt. Die Lehrer sollen sich an ent 
sprechenden Kursen beteiligen, um dann selbst den Unterricht erteilen zu 
können. — In Berlin wird den Lehrern von der Schuldeputation geradezu 
verboten, sich um die Gesundheitspflege ihrer Schüler zu bekümmern. 
— Sanitätsrat Dr. Meyner in Chemnitz ist dortselbst am 30. März d. J. 
nach kuzem Krankenlager gestorben. Dr. M. war ein eifriger Impfgegner
	        
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