Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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Woher soll er wissen, dass Eiweissüberladung und Mineralstoffverarmung am ersten 
und sichersten zur Blutentmischung, zur Entartung und Erkrankung führen 
müssen? Sagt ihm jemand, dass und warum die Nahrung für Pflanze, 
Tier und Menschen eiweissarm und mineralstoffreich sein muss, sollen 
alle diese Geschöpfe sich gesund entwickeln und gesund bleiben? — . 
Die grünen Blatt-Salate, welche den bedenklichen Nährsalzmangel seiner 
übrigen Speisen zu ergänzen vermöchten, versetzt er, statt mit Citronensaft 
oder wenig mildestem, natürlichem Essig mit solchem schärfster Art, welcher 
zu seiner Bindung allein schon soviel Nährsalze erfordert, als diese Salate ihm 
überhaupt zuführen. 
Die im Spätsommer und Herbst allenfalls gebauten ßemüse kocht und 
brüht die Bäuerin ab, wie es ihre weisen Mitmenschen in den Städten ja auch 
noch zumeist machen, und entzieht dadurch ihnen und sich selbst die wert 
vollsten Nährsalze, derenthalben ja sich das Gemüseessen überhaupt nur lohnt .*) 
So sehen wir zur Genüge: die Ernährung des Landmannes in der Neu 
zeit ist vielfach keine wesentlich gesündere, wie die der Stadtleute, ja in 
mancher Hinsicht noch ungesunder und mangelhafter, denn der Städter geniesst 
doch noch zumeist frisches, unausgelaugtes Eleisch, auch viel Milch, Obst 
und Gemüse. 
Das elende, unschöne Aussehen so vieler Landleute ist für sie keine 
Belehrung: Gesundheit und Schönheit sind für den Bauern keine gleich 
bedeutenden Begriffe, er hat ja kaum Zeit und Gelegenheit, hierüber 
nachzudenken. 
Und dabei ist das Schlimmste: diese Zustände sind nicht in Besserung 
begriffen, im Gegenteil werden sie immer schlechter. 
Aber wohin soll und muss dies führen? 
Zu nichts anderem als zum allmählichen Verfall und Untergange des 
ganzen Volkes! Denn wenn die Unsitten in der Ernährung, welche die Ge 
sundheit der Stadtbewohner fortdauernd untergraben helfen, auch in 
der Landbevölkerung immer weiter um sich greifen, wenn ausser höchst 
ungesunder Auswahl und falscher Zubereitung der Speisen noch 
Alkohol, Nikotin Golfein etc. die Gesundheit der Landbevölkerung zu vernichten 
drohen, woher soll die durch ungesunde Ernährung und ein unnatürliches 
Leben ohnehin bereits in der dritten Generation aussterbende Stadtbevölke 
rung noch einen gesunden Ersatz finden? 
Auch die Landbevölkerung ist, wenn die Unnatur in Ernährung und 
Lebensweise noch weiterhin überhand nimmt, dem Verfalle, der Degeneration 
geweiht, und ein Schicksal wie das aller untergegangenen Völker, unver 
meidlich. Zwar nimmt die Bevölkerungszahl merkwürdigerweise noch immer 
zu, aber auch die Krankheiten, die Not und das Massenelend mehren sich in be 
drohlicher Weise. 
Physische und moralische, leibliche und sittliche Entartung des Volkes ist 
die notwendige Eolge einer ungesunden Ernährung und unnatürlichen 
Lebensweise desselben und wird um so eher und sicherer stattfinden, wenn 
nicht alle, die zur Aufklärung des Volkes beitragen können, nach Kräften dafür 
sorgen, dass demselben die Folgen einer unnatürlichen Ernährung, einer 
unnatürlichen Lebensweise deutliphst zum Bewusstsein gebracht werden. 
Die Schule hat in dieser Hinsicht am meisten gut zu machen durch 
Einführung einer naturgemässen Gesundheitslehre, welche schon von jeher den Mittel 
punkt alles Unterrichtes hätte bilden sollen, sowie durch Unterricht in ge 
sunder Landwirtschaft in allen Landschulen! — 
Wenn der Landmann nicht durch seinen Beruf wenigstens am Tage 
zu einer natürlicheren Lebensweise, d. h. zu viel Thätigkeit und Bewegung 
*) Anmerkg. Dieses Kochen und Abbrühen ist bei Gemüsen, welche auf ans- 
gelaugtem, mit Mist und stickstoffreichem Kunstdünger durchsetzten Boden erzeugt 
sind, freilich unvermeidlich, da ja in solchen Gewächsen die blutbildenden Mineralsalze 
durch nervenlähmendes Ammoniak vertreten sind! —
	        
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