Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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and Aerzte zu und schicke einige Bemerkungen voran. "Wenn einige der 
Aeusserungen aus den 80er Jahren herrühren, so macht das für die Sache 
selbst nichts aus. Denn ist es mit ihr seitdem besser geworden? 
Oder sollen wir vielleicht in der der Bakteriologie verdankten Serum- 
Therapie, also in der Rückkehr oder dem Uebergange vom pflanz 
lichen und mineralischen zu tierischen „Heil-Giften“ einen Fort 
schritt der Heilkunst erblicken? Das können wir weder nach Lehre, 
noch nach Erfahrung. Die Urteile aus jener Zeit sind darum in 
keiner Weise veraltet. Sie sind im übrigen in einer Art von Galgen 
humor und Selbstironie gefällt worden, in Augenblicken, wo man 
der Maske einmal überdrüssig wird und ehrlich mit der wahren 
Meinung herauskommt. Auch die Auguren halten den Ernst nicht 
immer aus; sie müssen sich ab und zu durch ein kräftiges Lachen 
erleichtern und dieses Lachen und der offen bekannte Nihilismus 
sind das Wahre, nicht die zur Schau getragene Wissenschaftlichkeit 
und Heil-Weisheit. Kurz und bündig gab solchem Unglauben Claude 
Bernard in dem Worte Ausdruck: „Unsere Hände sind leer.“ 
Auch die französischen Aussprüche sind überaus freimütig und 
erstaunlich rückhaltlos. Sie sind genau verbürgt und entweder 
Büchern oder Vorlesungen entnommen. Ich enthalte mich darum, 
Eigenes dazuzufügen; sie werden in ihrer Nacktheit am wirk 
samsten sein. 
Germain See, Mitglied der Akademie der Medizin, alter Lehrer 
der Heilkunde etc., ruft bei der Besprechung des beklagenswerten 
Zustandes der allopathischen Medizin aus*): „Wie schade, dass Moli er e 
nicht da ist! Wäre er da, so würde er schön lachen; denn alles, 
was er von den Aerzten gesagt hat, ist vollständig wahr. Man kann 
sogar behaupten, dass er hinter der Wahrheit zurückgeblieben 
ist; er kannte die Thorheiten der Aerzte, die noch heute anhalten,. 
nicht zur Genüge.“ 
Derselbe: „Heute beschäftigt man sich mit allem, mit der 
Histologie (Gewebe-Lehre), der Physiologie, Pathologie, pathologischen 
Anatomie, kurz mit allem, nur nicht mit der Heilkunde.“ 
Derselbe: „Es giebt kein einziges Buch der Heilkunde. Ich 
erachte alle die geschriebenen als nicht vorhanden.“ 
Ferner macht er folgendes Geständnis seiner Ohnmacht: „Die 
beste Behandlung in den hitzigen Krankheiten ist das Abwarten, 
d. h. die Unthätigkeit; man muss Nihilist (Nichtsthuer) sein“ Weiter: 
„Ich glaube nicht an die Behandlung der Lungen-Entzündung und 
der Brustfell-Entzündung. Wir können das ruhig bekennen, denn 
wir sind unter uns; aber sprechen wir es nicht allzu laut aus, sonst 
ruft man die Homöopathen.“ (Naturheilkundige scheint man damals 
in Frankreich noch nicht gekannt zu haben, oder man bezeichnet© 
alle Ketzerei in der Heilkunde mit dem Sammelnamen „Homöopathie“. 
Und die anderen Mediziner teilen See’s Ansichten über die 
Ratlosigkeit und die Gefahren der Allopathie. Die amtliche Heil 
kunde ist von den angesehensten Allopathen der ganzen Welt in 
aller Form als schädlich und sogar als mörderisch verdammt worden. 
Födere, Krankenhaus-Arzt und Mitglied der Akademie der 
*) Die folgenden Stellen sind genauen stenographischen Nachschriften der Vor 
lesungen See’s von Dr. Flasschön entnommen.
	        
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