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Die gesundheitliche Bedeutung des Schwimmens.
Von E. Wegener-Charlottenburg.
Der Mechanismus des menschlichen Körpers wird durch eine
Reihe von Einwirkungen der Aussenwelt im Gange gehalten, welche
wir als Lebensreize bezeichnen. Diese Reize sind Licht, Luft, Er
nährung, Bewegung, Wasser. Je stärker die Reizungen wirken oder
je mehr sich von ihnen zu gemeinsamer Arbeit verbinden, desto
grössere Wirkung vermögen sie im Organismus hervorzurufen. Eine
Vereinigung von äusserst wichtigen Lebensreizen und Gesundheit,
fördernden Faktoren bildet das Schwimmen. Während alle körper
lichen Uebungen mehr oder weniger einseitig sind, setzt das Schwimmen,
alle Muskeln, alle Sehnen, alle Gelenke in Bewegung. Dazu
kommt die hygienische Bedeutung des Wassers für die Pflege der
Haut, für Abhärtung und Kräftigung des Körpers, seine vorteilhafte
Einwirkung auf die Thätigkeit des Herzens und der Lungen, sowie
auf das Nervensystem und den gesamten Stoffwechsel. Gerade die-
Kombination des mechanischen Momentes, welches durch die kräftigen
Muskelbewegungen gegeben ist, mit dem thermischen Einfluss des
Kaltwasserbades, gestaltet das Schwimmbad zu einer hygienisch
hydrotherapeutischen Prozedur ersten Ranges,- zu einem körperlichen
Erziehungsmittel, das von keinem anderen übertroffen werden dürfte.
Zu allen Zeiten und unter allen Nationen wurde das Schwimmen
geübt und gepflegt. Abgesehen von der verlockenden Gewalt, welche
die klare, ewig bewegliche Flut auf jedes Menschen Gemüt ausübt,
war es für die Völker aller Zeiten Bedürfnis und Einfluss des eigenen
Selbsterhaltungstriebes, kühn die Brust den Wogen entgegenzuwerfen,
um als Herr der Schöpfung auch das trügerische Element des Wassers
zu bemeistern.
Die alten Egypter, deren Lebensweise überhaupt in vielen Dingen
auf einer sehr hohen Stufe der Gesittung stand, sind, wie verschiedene
Historien an deuten, grosse Schwimmiyeunde gewesen. Es liegt dies
auf der Hand, wenn wir uns des alten Plutarch erinnern, der erzählt,
dass die egyptischen Priester stets den grössten Wert auf die Er
haltung der Gesundheit gesetzt haben und dass sie dieselbe als ein
notwendiges Erfordernis zum Dienste der Götter und zur Glückselig
keit betrachteten, und wenn wir ferner bedenken, dass das Pharaonen
land durch sein sonnendurchglühtes Klima und den herrlichen
„Paradiesesstrom“, der es durchzieht, wie auch durch seine vielen
Seeen zu allerlei körpererfrischendem, muskelstärkendem Wassersport
förmlich herausforderte.
Neben den Egyptern waren es die Griechen, welche das
Schwimmen besonders pflegten. Ausser ihrer Gymnastik, welche in
Sparta auch das weibliche Geschlecht übte, waren die Bäder, täglich
angewendet, .ihr erprobtes Gesundheitsmittel. Dieses Volk war dem
Schwimmen in solcher Weise zugeneigt, dass bei ihm als der be
klagenswerteste, ungebildetste Mensch derjenige galt, auf welchen
das damals landläufige Sprichwort: „Er kann weder schwimmen,
noch lesen, noch schreiben“, Anwendung finden konnte.
Die Geschmeidigkeit und Gewandtheit, die Energie und Kühn
heit, welche die Griechen damaliger Zeit kennzeichnete, entstammen
in der Hauptsache der Aufmerksamkeit, welche dieses Volk der
Körperpflege zuwandte.