Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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Aderhautentzündung mit Schwachsichtigkeit aufgetreten ist. Solche Augen- 
leiden sind Symptome und keine Krankheit selbst. Diese Auffassung wurde 
mir mehr und mehr einleuchtend durch die erfreulichen Wirkungen der 
W asseranwendungen. 
Die vom betreffenden Arzte gegebenen Verordnungen wurden an 
mir in der Danziger Jantzenschen Badeanstalt genau nach der Zeitangabe 
ausgeführt. Sie bestanden in Fussdämpfen, Kastendämpfen, wobei der ganze 
Körper mit Ausschluss des Halses und Kopfes Dämpfen ausgesetzt ist, in 
Teilgüssen (Schenkel, Kniee), Vollgüssen, kalten Fussbädern und Augen 
bädern (18° R.). Die Erfolge waren geradezu überraschend. Der Kopf 
schmerz verlor sich schon am zweiten Tage und bald darauf wurde auch 
mein Gemütszustand, der zur Hypochondrie neigte, freier. Das ganze Nerven 
system war erfrischt und gestärkt. Der Stoffwechsel erfolgte schneller, und 
der Appetit wurde daher recht rege, der Kopf frei und so recht zum Denken 
aufgelegt. An kalten Füssen habe ich seitdem nicht mehr gelitten. Meine 
bisherige starke Schweissabsonderung verminderte sich, wogegen die Urin- 
Ausscheidung sich mehrte, auch zeigte er keine Trübung mehr. Dieses ver 
änderte körperliche Befinden blieb nicht ohne Einwirkung auf die Augen. 
Die Verdunkelung des Sehens wich auffallend von Tag zu Tag, auch ging 
nach meinem Ermessen die Kurzsichtigkeit in fünf Tagen so rapid zurück, 
■ dass sie von —11 Dioptrieen auf —8 sank. Mit blosSem Auge sah ich 
jetzt nach zweimonatlicher Behandlung fast ebenso weit, wie vor der Kur 
mit einer Brille — 4 D. Die Augenschmerzen und die Unruhe im Auge 
schwanden ganz, auch reduzierte sich die Augenschwäche sehr bedeutend, 
sodass ich auch bei nur mässiger Lampenbeleuchtung in den Strassen ohne 
welche Schwierigkeiten gehen konnte. Die Verzerrung des Sehens, hervor 
gerufen durch Herde an der Macula lutea des linken Auges liess merklich 
nach, noch bedeutender aber die Kurzsichtigkeit, sodass ich jetzt nicht er 
heblich schlechter sehe, als mit dem rechten Auge, die Kurzsichtigkeit links 
ist jetzt nur ca. + 2 D. grösser als rechts. Vielleicht wird auch durch eine 
angeschlossene Nachkur die Sehverzerrung gehoben, oder wenigstens, wie 
ich hoffe, auf ein Minimum zurückgeführt, das meine Sehfunktion nicht er 
heblich hemmt. Dieses sind die Erfolge, welche ich durch eine Behandlung 
von zwei Monaten erzielt habe, also bedeutend genug, um mich derselben 
zu. erfreuen. Was für einen Eindruck eine im Auge sich natürlich wieder 
spiegelnde geklärte und räumlich ausgedehntere Welt auf das Gemüt ausübt, 
kann allerdings nur der Schwach- und Kurzsichtige verstehen. 
Trotz dieser nicht geahnten Resultate sehe ich mich keineswegs als 
schon vollständig geheilt an.; solche pathologischen Zustände sind chronisch, 
und es muss daher auch mit einer gewissen Beharrlichkeit dagegen vorge 
gangen. werden. Aber sicherlich werden die oben geschilderten Anwendungen 
später immer seltener werden. 
Die Wasseranwendüngen strengen jeden Körper an und erfordern eine 
kräftige Ernährung, für mich um so mehr, als ich blutarm bin. 
Der Zweck der Veröffentlichung solcher Erfahrungen soll nicht sein, 
darzuthun wie durch Natur- und Wasserheilverfahren innere Krankheiten 
von Grund aus -beseitigt werden können, sondern es soll vielmehr darauf 
hingewiesen werden, dass man bei verschiedenen inneren Krankheiten mit 
grösster Vorsicht nach der Grundursache der pathologischen Erscheinung 
zu forschen habe, und daher so manche Krankheit nicht an der Peripherie, 
sondern von der Zentralstelle heraus zu behandeln habe. Wie häufig ist 
immer noch der Menschen Ach und Weh aus einem Punkte zu kurieren. 
L. Sch.
	        
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