Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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noch einen zweiten, gleichfalls wichtigen, jedoch nicht so mächtigen 
Wärmeregulator, die Lungen. 
Unsere Haut ist nun derart gebaut, dass die Grundfasern der 
Haut — also die von gewissen Empfindungsnerven versorgten Haut 
muskelfasern sich in der Kälte zusammenziehen. Jedenfalls besitzen 
alle Gewebsnerven dieselbe physikalische Eigenschaft wie die ihnen 
zugeteilten Gewebe, Dadurch wird auch die Haut in ihrem Durch 
messer dünner, dafür aber um so wärmeundurchlässiger, ein Vor 
gang, den wir sichtbar durch die Bildung der sogenannten Gänsehaut 
wahrnehmen. Die in der Haut angelegten Muskelfasern verengen 
aber auch gleichzeitig durch ihre schräge Anordnung die Blutgefässe 
der Haut, und ihre Schwesterfasern, die die grösseren Gefässe um 
gebenden Gefässmuskelfasern, nehmen gleichfalls an der Verkürzung 
teil, so dass durch diesen Vorgang das Blut aus den Hautgefässen, 
bis tief in den Körper hinein verdrängt wird — wir frieren; der 
Organismus aber hat dadurch sein wärmetragendes Blut ins Körper 
innere gedrängt, um es vor unnötigen Wärmeverlusten zu schützen. 
Unser natürliches Hemd ist um diese Zeit trockener und ein 
schlechterer Wärmeleiter geworden, als es kaum wenige Minuten 
zuvor war. 
So schnell sind wir nicht imstande, unser künstliches Hemd zu 
wechseln, aber der Organismus kann noch mehr: Hat die äussere 
Kälteeinwirkung nur kurze Zeit gedauert, so facht er ein grösseres 
inneres Feuer an. Inzwischen hat aber die äussere Kälteeinwirkung 
auch die zweite Art des Hautgewebes, die Bindegewebs- (oder die 
Füllfasern) beeinflusst. Das Bindegewebe, und besonders das elastische, 
verhält sich nämlich umgekehrt gegen Wärme und Kälte ein Wirkung 
wie das Muskelgewebe, es wird durch Kälte ausgedehnt, durch 
Wärme aber verkürzt. Wenn nun z. B. die Kälte auf das träge Binde 
gewebe zu wirken anfängt, erweitern sich die Blutgefässe, deren 
Wände auch elastische Bindegewebe besitzen, und das einfache Binde 
gewebe der Haut quillt wieder zu seiner früheren Dicke und darüber 
an. Die Folge davon ist nun, dass die Blutgefässe und die Haut 
saugend wirken und in kurzer Zeit von viel wärmerem Blute strotzen. 
Dieses Wechselspiel der schnellen Zusammenziehung der Muskelfasern 
und die späte Dehnung der elastischen und Bindegewebsfasern nennt 
man den „Widerstreit des Organismus“ oder bildlich: „die Antwort 
der Naturheilkraft auf einen feindlichen Angriff“ (Griebel). 
In ähnlicher Weise antwortet der Organismus auch auf Wärme, 
welche die Haut trifft, jedoch in umgekehrter Richtung, indem die 
Wärme die Muskelfasern erschlafft und verlängert, die elastischen 
Gewebsfasern und das Bindegewebe aber verkürzt und anspannt. 
Dieser Vorgang bei der Wärmeeinwirkung hat nun zur Folge, dass 
zunächst, nicht wie bei Kälteeinwirkung eine Zurückstauung des 
Blutes nach dem Körperinnern, sondern ein Vorfluten des Blutes in 
die von ihren Muskelfasern entspannten Blut- .und Hautgefässe ein- 
tritt. Und da das elastische Gewebe und das Bindegewebe sich durch 
die Wärme sehr allmählich verkürzen, so tritt erst lange Zeit nach der 
Wärmeeinwirkung eine grössere Entblutung der Haut- und Blut 
gefässe ein — wir frieren nach einem warmen Bade. 
So sehen wir denn, dass die Muskelfasern der Haut die Erst-
	        
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