Volltext: Der Naturarzt 1897 (1897)

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Dies Werk der Menschheitserhöhung soll aber nicht wie bisher 
dem Zufall der Natur überlassen, sondern methodisch gefördert 
werden; denn sonst würden ja doch die Gesetze der Biologie nur un 
nützer theoretischer Wissensballast sein, oder allenfalls nur für die 
Tier- und Pflanzenzüchtung praktische Bedeutung erlangen. Nein: 
„Die Menschen können mit Bewusstsein beschliessen, sich zu 
einer neuen Kultur fortzuentwickeln, während sie sich früher unbe 
wusst und zufällig entwickelten. Sie können jetzt bessere Bedingungen 
für die Entstehung der Menschen, ihre Ernährung, Erziehung, Unter 
richtung schaffen, die Erde als Ganzes ökonomisch verwalten, die 
Kräfte der Menschen überhaupt gegeneinander abwägen und ein- 
setzen.“ 
Und so ist es vor allem nötig, dass man sich bewusst werde, 
von welchen Faktoren die Entstehung des Individuums abhängt, und 
wann sie bereits ihren Anfang nimmt; nämlich: im Moment der 
Gattenwahl. Es ist für Generationen hin von ausschlaggebender Be 
deutung, was für Eltern, Grosseltern und Urgrosseltern der Einzelne 
gehabt habe. Zu diesem Altruismus haben sich leider nur die 
Wenigsten emporgeschwungen; ja, daran hat bisher kaum der 
Millionste auch nur gedacht. Das pflegte man nur als Familien 
tradition alter Adelsgeschlechter. So lasst uns nun endlich auch im 
Volke unsre Stammbäume haben! 
Eins der herrlichsten Kapitel in Nietzsches „Zarathustra“ ist 
das von „Kind und Ehe“. Wenige Anfangssätze seien daraus citiert: 
,,Ich habe eine Frage für Dich allein, mein Bruder: wie ein Senkblei 
werfe ich diese Frage in Deine Seele, dass ich wisse, wie tief sie sei. 
Du bist jung und wünschest Dir Kind und Ehe. Aber ich frage 
Dich: bist Du ein Mensch, der ein Kind sich wünschen darf? Bist 
Du der Siegreiche, der Selbstbezwinger, der Gebieter der Sinne^ der 
Herr Deiner Tugenden? Also frage ich Dich. Oder redet aus Deinem 
Wunsche das Tier und die Notdurft? Oder Vereinsamung? Oder Un 
friede mit Dir? Ich will, dass Dein Sieg und Deine Freiheit sich 
nach einem Kinde sehne. Lebendige Denkmale sollst Du bauen 
Deinem Siege und Deiner Befreiung. lieber Dich sollst hinausbauen. 
Aber erst musst Du mir selber gebaut sein, rechtwinklig an Leib 
und Seele. Nicht nur fort sollst Du dich pflanzen, sondern hinauf! 
Dazu helfe Dir der Garten der Ehe! Einen höheren Leib sollst Du 
schaffen, eine erste Bewegung, ein aus sich rollendes Rad — einen 
Schaffenden sollst Du schaffen. Ehe: so heisse ich den Willen zu 
Zweien, das Eine zu schaffen, das. mehr ist, als die es schufen. 
Ehrfurcht vor einander nenne ich Ehe als vor den Wollenden eines 
solchen Willens. Dies sei der Sinn und die Wahrheit Deiner Ehe.“ 
Und nun noch drei andre Sätze zu diesem Punkte: ,,Der Zweck 
der Kindererzeugung ist, freiere Menschen, als wir sind, in die Welt 
zu setzen. Kein Nachdenken ist so wichtig wie das über die Erb 
lichkeit der Eigenschaften . . . Nicht nur die Vernunft von Jahr 
tausenden, auch ihr Wahnsinn erbt sich fort; gefährlich ist es, Erbe 
zu sein . . . An meinen Kindern will ich es gut machen, dass ich 
meiner Väter Kind bin, und an aller Zukunft diese Gegenwart!“ 
Dies sei die Losung für unser ferneres Wirken und Kämpfen. 
Nicht zum Niedern gehe unser Weg, sondern zur Höhe; nicht im 
Engen verliere sich unser Blick,* sondern in der Weite. Realismus
	        
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