Volltext: Der Naturarzt 1897 (1897)

Nachteil, dass die Heilung der Krankheit infolge der Gemütserregung ver 
zögert wird. Meines Erachtens haben wir also allen Grund, diese Aversion 
zu bekämpfen, diesen Widerwillen zu beseitigen. Wie wir dies zum Nutzen 
und Frommen der Eltern wie der Kinder erreichen können, will ich in Folgen 
dem kurz ausführen. 
Unsere Hauptaufgabe besteht darin, die Kleinen schon in frühester Jugend 
.an die Wasseranwendungen zu gewöhnen. Man lasse es nicht damit bewenden, 
die Säuglinge nur 1—2 Monate zu baden, sondern setze die Bäder auch noch 
fernerhin fort, wenn auch in späteren Zeiten nicht mehr täglich, so doch wenigstens 
2—3 Mal in der Woche. Niemals aber versäume man, nach einem warmen 
Bade den Kindern eine kühlere Abwaschung oder Uebergiessung zu geben. 
Die Temperaturgrade derselben werden sich nach dem Alter der Kleinen richten, 
anfänglich genügt ein Temperaturunterschied von 3—4 Grad zwischen Bad 
und Uebergiessung, später kann die Differenz schon 8—10 Grad betragen, um 
schliesslich etwa im zweiten Jahre direkt kaltes Wasser dazu zu benutzen. 
Nächst den Bädern sind es die verschiedenen Packungen, welche gleich 
falls schon in gesunden Tagen oder bei nur sehr leichten Störungen im Be 
finden der Kinder anzulegen sind. So halte ich es für sehr gut, einem Säug 
ling bei Unruhe des Nachts einen Leibaufschlag von 25—28 Grad umzulegen, 
und diese Prozedur bei Verstopfung und sonstigen Verdauungsstörungen zu 
wiederholen. 
Die anderen Packungen, wie die des Halses, der Brust, der Waden, 
werden sich dann bei Erkrankungen der verschiedensten Art leichter den 
Kindern anlegen lassen. Man hat sie eben durch obige Art schon an die 
Wasseranwendungen gewöhnt. 
Wenn die Kinder erst älter sind, schon einiges Verständnis zeigen, so 
leistet, habe ich wiederholt gefunden, das Anschauen von Einpackungen er 
wachsener kranker Familienmitglieder sehr gute Dienste. Sobald die Kleinen 
gesehen haben, wie die Mutter, der Vater oder grössere Geschwister sich in 
den verschiedensten Einpackungen wohl fühlen, nach denselben schnell genesen, 
lassen sich die kleinen Patienten in Erkrankungsfällen auch gern und willig 
solche Prozedur gefallen. Hat die kleine Welt aber erst gar an sich selbst 
einmal die Wohlthat einer Packung erfahren, z. B. bei starker Erkältung, 
heftigem Schimpfen oder dergl., so verlangen sehr viele kleiner Mädchen und 
Knaben ganz von selbst nach derartigen Kurformen. Es ist dies eine Beob 
achtung, die ich sowohl bei meinem jetzt sechs Jahre alten Knaben als auch 
in anderen Familien wiederholt gemacht habe. 
Schwieriger schon ist es, Kinder an Bett- oder Stuhldampfbäder zu ge 
wöhnen. Vor solchen haben sie oft eine entsetzliche Angst, weil sie sich zu 
verbrennen fürchten. Die heissen Steinkrüge wie der Dampf erscheinen ihnen 
gefährlich. Nun, diese gewiss nicht ganz unberechtigte Furcht überwinden wir 
wieder am besten durch Beispiele. Wir lassen die Kleinen solchen Kurformen 
zuschauen, zeigen ihnen, wo es möglich ist, wie die diese Heilfaktoren, z. B. 
den rheumatischen Schmerz des Vaters beseitigt haben, über den derselbe 
vorher heftig geklagt hat. Oder aber der Vater, resp. die Mutter nehmen mit 
dem Kinde zusammen ein Bohrstuhldampfbad, sie setzen das Kind auf ihren 
Schooss und zeigen ihm so, dass seine Furcht unbegründet ist. 
Eine fernere Anwendungsform, die uns bei Erkrankungen des Halses 
und der Luftröhre sehr gute Dienste leistet, ist das Einatmen heisser Wasser 
dämpfe. Auf die rechtzeitige Gewöhnung an Inhalationen lege ich einen grossen 
Wert. Nichts ist z. B r bei* der Behandlung von Diphtheritis oder Croup für 
den Arzt störender, als wenn der kleine Patient nicht einatmen will. Ich 
rate daher dringend allen Eltern, die Kinder schon in gesunden Tagen daran 
zu gewöhnen. Man bringt diese Inhalationen am besten den Kleinen spielend 
bei, indem man entweder durch eihen sogenannten Inhalationsapparat oder 
durch einen Trichter, der über einen Topf mit kochendem Wasser gehalten 
wird, mit den Kindern inhaliert. Sie betrachten dann diese Prozedur als
	        
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