Volltext: Der Naturarzt 1896 (1896)

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.Arbeitszeiten vor, dass die Gesundheit der Arbeiterinnen namentlich dann be 
sonders gefährdet erscheint, wenn diese Arbeiten in ungenügend gelüfteten y i 
niedrigen und stark erwärmten Arbeitsräumen stattfinden, wie dies in den 
Plättereien sehr häufig der Fall ist.“ — lieber die Ermittelungen in den 
Wasch- und Plättanstalten Kiels giebt der Gewerbeinspektor zu Neumünster 
folgende Schilderung: „Es wurden dort Anstalten angetroffen, in denen die- 
Arbeiterinnen 12—14 Stunden täglich beschäftigt und mit Ueberstunden mehr 
fach 85 Arbeitsstunden in der Woche erreicht und selbst überschritten wurden. ! 
In mehreren dieser Anstalten wurden sehr niedrige und beschränkte Plätträume- j 
angetroffen, die zum Teil noch zum Trocknen der Wäsche benutzt wurden oder 
mit Trockenräumen durch offene Thüren in Verbindung standen. Da die be 
nutzten eisernen Oefen eine intensive Hitze ausstrahlen, Lüftungseinrichtungen 
aber mehrfach nicht vorhanden waren, und das Oeffnen der Eenster — an- ! 
geblich der einfallenden Bussflocken w r egen — öfters unterblieb, so unterlag es» 
keinem Zweifel, dass solche Arbeitsräume bei so ausgedehnter Arbeitszeit im I 
gesundheitlicher Hinsicht höchst bedenklich waren, wie auch die Kranken- | 
Statistik der Plätterinnen nachweist, von denen von 138 beschäftigten 50 Plät 
terinnen zusammen 1171 Tage krank waren. 
„Nicht vornehm denkende Arbeitgeber“. — Der Bericht über Berlin- j 
Charlottenburg stellt fest, dass, um unbequeme Verschiebungen der Komptoir- 
geschäfte zu vermeiden, die meist am Sonnabend erfolgende Lohnzahlung sehr 
hinausgezögert wird, und so die Arbeiterinnen, obwohl sie nicht arbeiten, zu, 
längerem Verweilen in der Fabrik genötigt werden! 
„Vereinzelt sind auf den Ziegelöfen Schlafstätten mit einem Lattenverschlag' 
abgezäunt, angetroffen worden,“ heisst es im Bericht des Gewerberats der 
Provinz Ostpreussen, „in denen sich Arbeiter mit Frau und Kindern nieder 
gelassen hatten. Die Leute kochten auf den Einfeuerungsöffnungen über den. 
jeweilig in Glut stehenden Bingofenkammern und die Kinder benutzten die- 
obere Bingofenfläche als Spielplatz. Ein derartig ungesunder, dauernder 
Aufenthalt konnte nicht gestattet werden und wurde unter Mitwirkung der j 
Ortspolizei untersagt. Auf Ziegeleien hat der Gewerbeinspektor zu Landsberg- 
Schlaf- und Aufenthaltsräume vorgefunden, deren Zustand jeder Beschreibung 
spottet. Die Schlafstellen, meist nur aus ungeordneten Strohlagern ohne jede- j 
Brettereinfassung bestehend, sind häufig in niedrigen, nur durch Leitern zu- : 
gänglichen, fast gänzlich dunkelen Dachräumen von verhältnismässig geringem 
Bauminhalte untergebracht. Wascheinrichtungen, Trinkgefässe u. s. w. wurden« j 
selten angetroffen. Für Lüftung der Bäume ist häufig ebensowenig gesorgt/ 
wie für Behältnisse zum Aufbewahren von Kleidern oder Lebensmitteln. Den ! 
Bemühungen des Inspektors, diese Verhältnisse zu verbessern, wurde von den j 
Arbeitgebern selten mit Verständnis und gutem Willen begegnet, so dass sich ! 
das Fehlen einer Polizeiverordnung über die Schlaf- und Unterkunftsräume- • 
der Wanderarbeiter häufig recht unangenehm fühlbar macht.“ 
Aus Westpreussen wird berichtet: „In dem Filterturme einer Zucker- j 
fabrik wurden die Fabrikationsräume gleichzeitig als — Schlafräume für die- | 
Arbeiter benutzt. Diese schliefen in der heissen und feuchten Luft unentkleidet 
auf schmutzigen, auf dem Boden umherliegenden Strohsäcken.“ 
Aus Magdeburg: „Bei der Besichtigung einer Kaserne, worin ausser 
Arbeitern einer Aktien-Zuckerfabrik auch die landwirtschaftlichen Arbeiter 
der bäuerlichen Besitzer untergebracht waren, wurde festgestellt, dass drei | 
Zimmer mit mehreren Familien belegt waren. In einem von ihnen mit 58,7 Kubik 
meter Luftraum, das ein Fenster besass, waren drei Familien untergebracht,, 
von denen zwei aus Mann und Frau, die dritte ausserdem aus einer geistig* 
zurückgebliebenen Tochter von 20 Jahren und einem kleinen Kinde bestand. 
Zur Benutzung für alle diese Leute waren vier Doppelbettgestelle vorhanden,, 
wovon je zwei übereinander standen. Eine scharfe Polizeiverordnung, die da& , 
Wohnen der landwirtschaftlichen Arbeiter regelt, erscheint mir auch wegem
	        
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