Volltext: Der Naturarzt 1896 (1896)

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Vom Wert der Mineralwässer. 
Von Dr. M o n s e - Altheide (Schlesien). 
„Im Wasser ist Heil!“ prangt pomphaft als Aufschrift über den 
Brunnenhallen spekulativer Kurorte, und mehr oder weniger wahrhafte 
Berichte über angebliche Heilerfolge suchen das Publikum zum Ge 
brauch dieses oder jenes Mineralwassers heranzulocken. Zum grössten 
Teil sind es ja freilich die Aerzte selbst, die den das Jahr über mit 
allen möglichen Medikamenten gequälten Patienten im Sommer noch 
zum täglichen literweisen Gebrauch dieses oder jenes Mineralwassers 
verurteilen. Wenn auch bereits erfreulicherweise unter den jüngeren 
Aerzten sich eine gewisse Abneigung gegen den schablonenhaften Besuch 
der Brunnenkurorte geltend macht, so wird es doch noch lange dauern, 
ehe der von der Schule übernommene alte Zopf verschwindet und 
eine mehr denkende Generation die Einkünfte der Kurverwaltungen 
schmälert. Wenn ich hier über die Schädlichkeit der Mineralwässer 
im allgemeinen sprechen will, so habe ich doch hauptsächlich die 
kohlensäurereichen im Auge, dürfte jedoch auch die Schädlichkeit 
aller übrigen nach anderen Gesichtspunkten einbegreifen. Während 
meiner vierjährigen badeärztlichen Thätigkeit hatte ich Gelegenheit genug, 
mir über den Wert und Unwert der Mineralwässer ein Urteil zu bilden. 
Die kohlensäurehaltigen Mineralwässer, vor allem die Eisen 
mineralwässer, leiden alle an dem Umstande, dass sie schwer verdaulich 
sind. Magenbeschwerden besonders bei nebenhergehendem Genuss 
von Säuren sowie Verstopfung sind fast unvermeidlich. Dazu die 
schöne Restauration skost, und der Badearzt kommt aus der Behandlung 
bloss der erst durch das heilbringende Mineralwasser hervorgerufenen 
Störungen kaum heraus. 
Eine weit unangenehmere Nebenwirkung ist die weitaus in den 
meisten Fällen beobachtete Erregung der Herzthätigkeit. Bei vielem 
Gebrauch von Bädern und besonders als Folge des unsinnigen Brunnen 
trinkens tritt Schlaflosigkeit ein, jedenfalls durch fortgesetzte Erregung 
des Herzens, so dass mir Damen versicherten, sie hätten während 
eines sechswöchentlichen Badeaufenthaltes überhaupt nicht geschlafen. 
Der betr. Badearzt, bei dem man sich des elenden Befindens wegen 
beklagte, hob diesen Umstand als günstiges Symptom hervor und 
vertröstete auf die Zeit, in der Patientin wieder zu Hause erst die 
günstige Wirkung verspüren würde. Ja! freilich zu Hause war sie 
der schädlichen Wirkung des Brunnens nicht ausgesetzt; wie Alles 
nahm auch schliesslich der schädliche Bade auf enthalt ein Ende, und der 
Schlaf trat wieder ein. Da gerade blutarme und nervöse Personen 
das Hauptkontingent stellen, so hat man als Badearzt in der schädlichen 
Herzerregung ein schlimmeres Symptom zu bekämpfen als die mit 
gebrachten Klagen. Wehe! wenn erst Herzaffektionen vorliegen. 
In diesen Fällen muss man den Gebrauch des Brunnens direkt ver 
bieten, und kopfschüttelnd fragt man sich, weshalb wohl diese oder 
jene Person eigentlich hergeschickt ist. Wie viele Sünden überhaupt 
in dieser Beziehung von den Aerzten begangen werden, darüber 
schweigt der Badearzt aus kollegialen Rücksichten, der lächelnde 
Badebesitzer aus geschäftlichen Gründen. Die Spekulationswut treibt 
auf diesem Gebiete die herrlichsten Blüten. Lachen könnte man, wenn 
das Objekt, die leidende Menschheit, dasselbe nicht im Keimen er-
	        
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