Volltext: Der Naturarzt 1896 (1896)

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annehmen können, dass der Vortragende auch öffentliche Angelegenheiten, 
wie den Impfzwang, in den Bereich seiner Ausführungen ziehen würde, viel 
mehr mit gutem Grunde glauben durfte, dass der Vortragende sich in den 
Grenzen des eigentlichen Themas halten werde. Erörterungen über Natur 
heilkunde seien aber keine Erörterungen öffentlicher Angelegenheiten.*) 
„Praktischer Naturheilkundiger“ und „Heilkünstler“. 
Ein Briefwechsel. 
Der Polizei-Präsident von Berlin sandte Herrn Gerling folgenden Brief: 
„Euer Wohlgeboren haben an dem Hause Elsässer-Strasse 31 ein Schild 
mit der Aufschrift „praktischer Vertreter der Naturheilkunde“ pp. anbringen 
lassen. 
Die Bezeichnung enthält einen ärztlichen Titel, zu dessen Führung Sie 
nach § 29 und 147 3 der Gewerbe-Ordnung nicht befugt sind. 
Euer Wohlgeboren werden deshalb im ordnungs- und sicherheitspolizei 
lichen Interesse hierdurch veranlasst, das Schild oder die Aufschrift binnen 
zwei Wochen zu entfernen, widrigenfalls die Beseitigung der Aufschrift durch 
einen Dritten im Zwangswege bewirkt und zu diesem Zwecke ein Kosten 
vorschuss von 20 Mk. von Ihnen eingezogen werden müsste. Der Polizei- 
Präsident, gez. von Windheim. An den Schriftsteller und Heilkünstler Herrn 
Reinhold Gerling, Wohlgeboren, hier.“ 
Darauf antwortete Herr Gerling: 
„Geehrter Herr Polizei-Präsident! Die gefällige Zuschrift hat mich 
ausserordentlich überrascht, umsomehr als ich mein Schild mit der Aufschrift 
„praktischer Vertreter der Naturheilkunde“ bereits seit 3 Jahren unbeanstandet 
geführt habe. Da ich durch diese Bezeichnung mich in einen direkten Wider 
spruch mit der Staatsmedizin und deren Vertretern zu setzen vermeinte, konnte 
ich nicht ahnen, dass in unserer deutschsprechenden Stadt ein „praktischer 
Vertreter der Naturheilkunde“ mit einem praktischen Arzt“, der nebenher auch 
„Dr. med.“ zu sein pflegt, verwechselt werden könnte. Ihre Auffassung belehrt 
mich eines Besseren und werde ich demnach mein Schild entfernen lassen; 
möchte ich doch unter keinen Umständen in den Verdacht geraten, approbierte 
Uedizinalperson zu sein, es würde mir dies bei meiner zum Teil aus den vor 
nehmsten Kreisen sich rekrutierenden Klientel zweifellos schaden. Gerade der 
Umstand, dass ich nicht, wie approbierte Aerzte, etwaige Ungeschicklichkeiten, 
sogenannte Kunstfehler mit einem Totenschein zu bedecken vermag, sichert mir 
das Vertrauen des Publikums. 
Uebrigens habe ich auch gleichzeitig Ihnen für die Beilegung eines Titels 
zu danken, den ich aus Bescheidenheit bisher nicht geführt habe. Sie nennen 
mich „Heilkünstler“, das ist eine hohe Ehre, die mich über Aerzte und 
Professoren stellt, die ja nach den Aussprüchen der Grössten unter ihnen von 
der „Kunst zu heilen“ nichts verstehen. Ich werde sonach diesen Ehrentitel 
mit Genehmigung des Königl. Polizei-Präsidiums zu Berlin forthin führen.“ 
Hochachtungsvoll Beinh. Gerling. 
Durch die Naturheilkunde gerettet! 
Von A. W. Frenzei, Döbeln i. S. 
Am 27. Januar 1892 war ein Bote mit der Weisung in meiner Wohnung 
erschienen, ich solle doch schnell zur Familie Postsekretär Kristen kommen, 
die Tochter Ella habe die Krämpfe bekommen. 
*) Anm. d. Red. Dass die Impffrage nicht in Vereinsversammlungen, sondern 
in Öffentlichen Volksversammlungen zu behandeln ist, das ist eine Praxis, die stets 
innerhalb unseres Bundes geübt wird und auf die der Bundesvorstand neue Vereine 
stets hingewiesen hat.
	        
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