Volltext: Der Naturarzt 1896 (1896)

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Blattern und Schutzpocken-Impfung. Oe ff entliehe Anklage: Impfgegner 
oontra Reichsgesundheitsamt. Kritische Beleuchtung und Widerlegung der Irrttimer 
der im Kaiserlichen Reichsgesundheitsamte bearbeiteten Denkschrift zur Beurteilung 
des Nutzens des Impfgesetzes. Dem deutschen Volke und den Reichstagsabgeordneten 
gewidmet vom Berliner Impfgegner-Verein. Bearbeitet von Reinhold Gerling. Berlin 
1896. Verlag von H. Stange & Co. 64 Seiten. Preis 50 Pfg. — Da die Broschüre 
uns erst nach Schluss der Redaktion zugeht, können wir nicht mehr eingehend be 
richten. Um der ungemeinen Wichtigkeit der Sache willen aber empfehlen wir die 
gut ausgestattete Broschüre auf das dringendste der Beachtung unserer Leser, 
zumal der Verfasser ja bekanntlich als Redakteur des „Impfgegner“ zur Abfassung 
dieser Schrift in erster Reihe berufen erscheint. 
—3g Feuilleton, 
Moliere und die Aerzte. 
Eine litterar-historische Studie von Alfred Moulet (professeur d’ficole Normale), 
Versailles. 
I. 
Ludwig der Vierzehnte fragte einst Moliere über einen damals bekannten 
Arzt, Mauvillain, der dazu ein Freund des Dichters war. „Majestät“, ant 
wortete der Gefragte lächelnd, „ich unterhalte mich mit ihm, er verschreibt 
mir Mittel, ich nehme sie nicht, und ich werde —, wieder gesund.“ In dieser 
unbefangenen Antwort hatte sich der dramatische Dichter über die Medizin für 
immer ausgesprochen. 
D&ss Moliere die Aerzte seiner Zeit in seinen Dramen vielfach angegriffen 
hat, ist bekannt: Unter allen Leuten, die er auf die Bühne gebracht, treten 
die Aerzte am häufigsten auf. Deswegen wird es für die Leser des „Natur 
arzt“ vielleicht nicht ohne Interesse sein, wenn ich ihnen hier einige Stellen 
vorführe, in welchen Moliere die Aerzte seiner Zeit, wenn auch vielleicht manch 
mal zu scharf und ungerecht, verspottet hat. 
Der Krieg fing mit Don Juan (1665) an. Der Bediente Sganarelle ver 
kleidet sich als Arzt nur deswegen, um Moliere Gelegenheit zu bieten, auf den 
Bücken der Aerzte einige derbe Hiebe fallen zu lassen. Mit Doktorhut und 
Mantel verschreibt der unverschämte Sganarelle Bezepte, als wäre er ein ge 
lehrter Mann. „Es wäre kurios,“ sagte er dann, „wenn die Kranken gesund 
würden, und wenn ich einen Dank verdient hätte!“ 
„Und warum nicht,“ versetzt Don Juan, der Allesverspottende, „warum 
hättest du nicht dasselbe Privilegium wie die Aerzte? — An der Herstellung 
der Kranken haben sie ebenso wenig Anteil als du, und ihre Kunst ist nur 
Spiegelfechterei . . .“ 
„Wie, gnädiger Herr, in der Medizin seid Ihr auch ein Ungläubiger?“ 
„Sie ist ein Hauptaberglauben der Menschen. . . .“ 
„Also Ihr glaubt weder an Sennesblätter, noch an Quassia, noch an 
Brechwein .... Und doch seht Ihr, welchen Spektakel der Brechwein seit 
einiger Zeit macht!“ 
Ueber diesen Brechwein war in der Tliat ein Streit unter den Doktoren 
entstanden und schon vierundzwanzig Jahre wurde für und wider debattiert. 
Der Federstreit war sehr heftig zur Zeit der Aufführung von Don Juan; und 
der Brechwein trug schliesslich den Sieg davon, als das Parlament selbst, 
welches eingreifen musste, ein Jahr darauf für den Brechwein stimmte. — 
Moliere liess die Gelegenheit nicht unbenutzt, sich über den Brechwein und den 
Streit lustig zu machen.
	        
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