Volltext: Der Naturarzt 1894. (1894)

Oekolompadius. Lasset Paracelsum zu Worte kommen. Auch ich» 
hab’ schon die Sprach’ verkehret und teutsch gered’t zu Nutz der Zuhörer. 
(Neue Zustimmung und neuer Widerspruch.) _ ^ 
yÄg* Paracelsus. Mein ist die Red’. Wer nicht teutsch verstehen will' 
mag abzieh’n! (Lachen.) — (Mit stärkerem Ton): Theophrastus Paracelsus* 
wünschet auf teutsch und saget auf teutsch (Beifall der Schüler und Bürger)); 
Heil allen denen ehrsamen günstigen Herren und seinen Schülern!. 
Mit Arbeit und mit Aufseh’n war geflissen 
In der Arznei ich stets, den Grund zu wissen. 
Ob man sie billig eine Kunst geheissen, 
Hab’ ich gesucht in Büchern und auf Reisen; 
Ob sie bloss auf den Glauben sei gestellt 
Und nicht im Ungewissen sich aufhält; 
Auch ob den Kranken man viel einzubrocken 
Nur tracht’, um süss den Pfennig auszulocken; 
Denn viele, die ich kannt’, sind schlimm verdorben r 
Verstümmlet und gewürgt durch Arzt gestorben. 
(Lebhafter Widerspruch.) 
Ich sag’ Euch gleich, warum; weil die Natuiv 
Verlassen ward mit ihrer weisen Spur. 
Hie Instrument’, die zur Erfahrnis taugen, 
Sind vor den übrigen die beiden Augen; 
Hoch statt zu weiden auf der Schöpfung Triften,, 
Geh’n holen sie den Rat bloss in Geschäften! 
Weil keiner nichts erfahrt durch Sinnlichkeit, 
Fehlt ihrem Wissen die Erfahrenheit. 
Lehrmeister, hochberühmt, weil hochgelahrt, 
Ihr seid geschlagen aus der rechten Art! 
Anstatt Gedulden, Zählen und Erfahren, 
Wollt Ihr Sorgfältigkeit und Müh’ ersparen. 
Ihr sucht dafür den leichteren Gewinnst 
Mit Henkgedräht und Phantaseigespinnst. 
Könnt weidlich disputieren manchen Tag, 
Hoch liegt der Kranke wieder, wo er lag. 
So blöde Kunst heisst auch Scholastica, 
Seiltänzer nennen es Gymnastica. 
Wie ringelum das kranke Schaf sich dreht, 
Thut der Scholasticus auch früh und spät. 
Hurch solche Gärten bin ich auch gezogen 
Und weiss, wie man drin junge Bäum’ verbogen. 
Hie Jungmannschaft sagt nur das Alte her, 
Als ob es frische Milch vom Morgen wär’! 
Nichts wird erspähet und dazu getragen, 
Und der Erkenntnis ist der Weg verschlagen. 
Aus einem Satz ein andrer wird gedenkt, 
Ein’ Glosse an die andre angehenkt, 
Ein Kommentar zum andern wird geschrieben,, 
Indessen all’s am gleichen Platz verblieben, 
Nie aber wird dabei in langen Stunden 
Experienz durch uns’re Sinn’ gefunden, 
Nicht einer brennet, siedet, seiht und siebt, 
Hass der Versuch ihm eine Antwort giebt, 
Und die Naturkraft selbst ihm künden mag, 
Ob er gestehet recht an sie die Frag’! 
So führt ein Blinder tröstlich einen andern; 
In langer Reih’ dahin viel Blinde wandern. 
(Unruhe.)
	        
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