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auf Störungen in der geordneten Thätigkeit unserer inneren Teile zu ziehen
versucht, finde ich sehr geistvoll, und sollte sich die G-esichtsausdruckskunde
für die Zukunft voll und ganz bewahrheiten, was ich heute noch sehr be
zweifele, so würde das einen grossen, recht grossen Schritt vorwärts be
deuten. Für die Kranken wäre es gewiss ein Segen, könnte ihnen damit
das lästige Untersuchtwerden erspart bleiben. Die Bedeutung für die Frauen
praxis wäre eine noch höhere, rein ethische; wir würden nie mehr nötig
haben, das Schamgefühl derselben bei gewissen Untersuchungen verletzen
zu müssen. Wenn sich Kühne dieses Verdienst dereinst wirklich einmal
zuschreiben darf, so ist es allein schon genügend, um ihn einen Ehrenplatz
unter den Männern anzuweisen, die auf dem Gebiete der Heilkunde refor-
mirend thätig waren. Wie man später über das ßeibebad denken wird,
ist eine andere Sache. Sehr ästhetisch sind die Manipulationen desselben
nicht und ich würde mich schwer hüten, ein Kind damit bekannt zu
machen. Doch hier reichen meine persönlichen Erfahrungen noch nicht
aus und man muss darüber die andere Partei sprechen lassen. Denn
„eines Mannes Rede ist keine Rede, man soll sie hören alle beede.“ In
Leipzig macht sich letzter Zeit eine gewaltige Strömung gegen Kühne
geltend. Man betont mit Recht, dass das Reibebad kein natürliches Heil
mittel sei. Der Instinkt führt wohl Tier und Mensch dazu, bei Fieber
Kühlung zu suchen, die heisse Zunge mit frischem Wasser zu netzen, die
erhitzte Stirn durch Compressen zu erfrischen, aber zum Reibebad, dieser
erkünstelten aller Wasseranwendungsformen, führt er nimmer. Um seine
Wirkungen kennen zu lernen, habe ich es oft genug vou Kranken anwenden
lassen und ich würde nicht wahr sein, wenn ich nicht zugebe, dass ich,
wie schon oben erwähnt, wiederholt überraschende Erfolge davon sah. Von
den eingangs veröffentlichten Fällen hatte die eine junge Dame, welche
an Unterleibsgeschwülsten litt, früher Reibebäder gemacht, sie mussten
jedoch wegen ihrer nachteiligen Wirkungen später ausgesetzt werden, die
andern drei sind aber ohne Reiben wieder gesund geworden, nur erkrankte
der von Herrn Professor Curscbmann aufgegeben gewesene Patient vor
Kurzem infolge einer Ueberanstrengung von neuem, ist aber jetzt seiner
abermaligen Genesung infolge erneuter Kur wieder nahe. Möge die Natur
heilmethode überall gleichen Segen stiften, dann kann ihr endlicher Sieg
auf der ganzen Linie nicht mehr lange auf sich warten lassen!
(Schluss folgt).
Eine neue Bewegung in der Ernährungsfrage.
H. Grabs -Glogau.
Seit langen Jahren ist der Unterzeichnete ein Anhänger der vege
tarischen Lebensweise. Schon der Hinweis auf den Umstand, dass das
Fleisch Abfall- und Mauserstoffe des tierischen Stoffwechsels, feine
Gifte wie Kreatin, Kreatinin, Sarcin, Tyrosin etc. enthält, die pflanzliche
Nahrung dagegen frei von allen schädlichen Bestandteilen sei, erschien
mir vollaus beweiskräftig für die Richtigkeit des Vegetarismus. Hierzu
treten noch weitere Behauptungen angesehener Hygieniker, wie z. B.,
dass die aus der Fleischkost entstehenden Zellen eine Disposition zur
Gährung und Fäulnis besitzen und oft verschiedene Formen von Er
krankungen wie Gicht, Geschwüre, Flechten, Krebs etc. nach sich ziehen;
dass die Fleischnahrung wegen ihres Reichtums au stickstoffhaltigen
Substanzen den Eiweisbedarf des Menschen bedeutend übersteige und zu