Volltext: Der Naturarzt 1894. (1894)

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Süden bis zur senkenden Glut der äquatorialen Zone. Er bewohnt 
reich gesegnete Länder, dürre und ertragarme Steppen gleicherweise. 
Während ein Teil von uns seine Nahrung durch die Muskelkräfte seines 
Körpers erwirkt, arbeitet ein anderer nur mit seinem Geiste. Während 
dem einen das gütige Geschick alles sorglos in den Schoss wirft, muss 
der andere ringen und mit den Elementen kämpfen, um sein kärgliches 
Brot zu verdienen. So verschieden aber die Lebensbedingungen der 
Menschen sind, so verschieden sind auch die Krankheitsursachen, die 
Krankheitsformen, die Behandlung der Krankheiten. Es ist entschieden irrig, 
die Ursache aller Leiden in erster Stelle im Unterleib zu suchen, und es gehört 
grosse Naivität dazu, dieser Ansicht willenlos beizupflichten. Als ob der 
Darm, die urinabsondernden Organe die einzigen Schleusen wären, durch 
die der Körper seine Fremdstoffe abführt. Haben wir nicht als gleich 
grossartiges Absonderungsorgan die Haut mit ihren zweieinehalbe Million 
Schweissdrüsen? Ist nicht jede Drüse ebensogut eine Ausscheidungs- 
stätte und muss nicht hierzu auch die Lunge als eine ganz gewaltige gas 
artige Fremdstoffe absondernde Drüse gezählt werden? Auf was für schwäch 
lichem Fussgestell steht ferner die Kuhnesche Fiebertheorie. Leuten, die nicht 
naturwissenschaftlich zu denken gelernt haben, mag es ja gewaltig imponieren, 
wenn sie hören, dass durch die Reibung der Fremdstoffe mit den einzelnen 
Körperorganen Wärme entsteht, und dass diese Wärme eben das Fieber ist. Wo 
bleibt aber dann die zweite Art des Fiebers, das kalte, von dem Herr Kühne in 
seinem Vortrag sprach, und wie erklärt sie sich? Wenn Fieberhitze sich 
durch Reibung entwickelte, — Herr K. denkt sich das vielleicht so, wie das 
Feuer, das beim Reiben eines Zündholzes aufbrennt, — dann würde unser 
Körper längst verbrannt sein durch die stete Wärmebildung bei der Reibung 
des Blutstromes an den Wänden der Schlag- und Blutadern. Nein, so 
einfach ist die Sache doch nicht. Es war aber überhaupt nicht meine 
Absicht, an dieser Stelle Kritik zu üben, man lässt sich nur mitunter 
von der eigenen Feder auf Wege führen, die gegangen zu sein uns später 
mitunter gereut, weil wir oft einen Kampf heraufbeschwöien, dem wir 
wohl uns gewachsen glauben, der aber einen Teil unserer wertvollen Zeit 
ganz unnötig raubt. Nun, wer gerecht ist, wird zugeben müssen, dass 
Kühne doch ein ganz eigenartiger Mann ist, dessen nicht geringstes Ver 
dienst darin besteht, die Gesichtsausdruckskunde ausgebildet zu haben. 
Neulich hat zwar jemand behauptet, die Sache sei älter und rühre von 
Jackson Dawis her; nun das weiss ich nicht. Jedenfalls hat Kühne das 
System ausgebaut und es für die Erkennung von Krankheiten zu verwenden 
gewusst. Dass bei einer so jungen Wissenschaft oft grosse Irrungen unter 
laufen, darf uns nicht wundern, pflegen doch auch Kinder noch nicht so 
korrekt zu sein, wie Erwachsene. Ich gestehe offen, dass ich mitunter 
über die Diagnosen gestaunt habe, die wir der Gesichtsausdruckskunde ver 
danken; mitunter stimmt die Geschichte aber auch nicht, und das Gegenteil 
des gesagten war richtig. Das ganze baut sich auf auf dem Prinzip 
des goldnen Schnittes, und darin steckt ein gewaltiges Stück Wahrheit. 
Es spielen ganz sonderbare Zahlenverhältnisse zwischen den einzelnen 
Teilen des menschlichen Körpers; dieses gesetzmässige aber zieht sich nicht 
nur durch die gesamte Tierwelt hindurch, sondern gilt auch für die Fauna 
der Erde, ja gilt sogar für die Werke aus menschlicher Hand, deren Form 
unseren Schönheitssinn nur dann befriedigt, wenn dieselbe sich nach der 
Proportion des „goldnen Schnittes“ entwickelt. Dass man aus Ver 
änderungen dieses Zahlenverhältnisses an unserm Organismus einen Schluss
	        
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