Volltext: Der Naturarzt 1894. (1894)

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ist von Uranfang an bis heute noch kein solcher Erfolg erzielt. Es existiert 
ferner auch kein wirklich beglaubigter derartiger Fall, der durch Na 
turheilmethode wiederhergestellt worden wäre; ganz abgesehen von den 
im Kuhneschen Lehrbuche beschriebenen Fällen, die ich zu wenig kenne, 
um sie kritiklos als echt anzuerkennen, vermag ja Kühne überhaupt keine 
Diagnose in unserem Sinne zu stellen. Uebrigens habe ich bei dieser 
Dame, ich erwähne das hier ausdrücklich, keine Reibebäder angewandt, 
nicht einmal streng vegetarische Diät. Die höchste Kunst des Heilens 
besteht meiner Ueberzeugung nach nicht in der Behandlung nach gewissen 
für immer ausgeprägten Schablonen, sondern in dem, was wir „Individu 
alisieren“ nennen, in dem Anpassen des jedesmaligen Kurplanes an die be 
sondere Eigenart des Kranken. Ich bin weit entfernt, daran zu zweifeln, 
dass es viele Fälle giebt, deren Individualität dem Kuhneverfahren mehr 
an gepasst ist, wie den anderen Anwendungsformen unserer Heil weise und 
denen es daher ganz vortrefflich hilft. Wir dürfen dabei natürlich 
nie vergessen, dass die strenge Regelung der Diät ein ganz hervor 
ragender Heilfaktor ist, wenngleich Herr Kühne auch hierbei oft genug 
in einseitiger Auffassung über das Ziel hinaus geht, (beispielshalber die 
prinzipielle Entziehung der Milch). Es giebt aber noch weit mehr 
Kranke, die dieselben, wenn nicht noch bessere Kuren mit der gewöhn 
lichen Naturheilmethode, wie mit dem Kuhneverfahren machen würden. 
Dass sie aber nicht zu uns gekommen sind, sondern zu Kühne, wird 
jeder verstehen, der für die metergrossen Buchstaben der Reklame nicht 
blind ist. Eine dritte Gruppe bilden alle die Kranken, für die die ope- 
rations- und arzneilose Heilkunst überhaupt nicht passt, denen sie in 
folgedessen auch platterdings nichts nützt. Ich erwähne auch hierzu 
einen Fall, einen jungen Mann mit einer Neubildung am Halse, der 
unter meiner Leitung strengste Kuhnekur machte, aber ohne Erfolg. Je 
kritischer wir daher beobachten, um so mehr kommen wir von letzterer 
Heilweise auf das allgemeine Naturheil verfahren zurück, aus Gründen, 
für die ich ungezählte Beweise in einer Menge von Krankengeschichten 
niederlegen könnte. Ganz unbestreitbar haftet der Kuhnekur eine ge 
radezu verblüffende Einseitigkeit an. Sie ist das Prokrustesbett unserer 
Heilweise. Was nicht hineinpasst, wird gestreckt oder gekürzt, bis es 
sich entsprechend fügt. Wenn ich mir hier ein Urteil erlaube, so erachte 
ich mich um so eher dazu berechtigt als ein anderer Arzt, weil ich 
in Leipzig in der Lage bin, so manchen früheren Kuhnianer unter die 
Hände zu bekommen. Der geistvollste Vertreter dieser Kur, Lothar 
Volkmar in Berlin, hat wohl nie ihre Mängel öffentlich zugestanden. 
Erkennt er sie aber nicht stillschweigend an, wenn er zu Heilzwecken in 
seiner Anstalt auch die Korscheltschen Aetherstrahlapparate und Umschläge 
verschiedener Art verwendet? Es giebt eben keine Universalmittel, und die 
Panacee für alle Krankheiten dürfte niemals erfunden werden. Infolge dessen 
kann auch der Kuhnismus, dieser wilde Schössling am Baume der Physiatrie, 
keine Allheilkur sein. Jedem, der etwas denkt, muss das sofort einleuchten. 
Es giebt, um etwas darwinistisch auszuholen, keine Tiergattung in der ganzen 
Schöpfung, deren Einzelwesen so verschieden von einander sind, wie die 
Gattung: Mensch. Während mit Ausnahme der Haustiere, die sich ge 
wöhnt haben, den Herren der Schöpfung überall hin zu folgen, ein und 
dieselbe Tierart unter ziemlich gleichmässigen Verhältnissen lebt, sind 
unsere Existenzbedingungen äusserst verschieden. Der Mensch bevölkert 
alle Breiten der Erde von den eisumgürteten Polen am Norden und
	        
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