Volltext: Der Naturarzt 1894. (1894)

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An nachstehendem kurzen Zwiegespräch wird der geehrte Leser 
die hier aufgestellten Behauptungen bestätigt finden. „Herr Vorstand 
geben Sie mir einen neuen Schein, ich will zu einem anderen Arzt gehen.“ 
— „Warum dies?“ — „Ja, es ist mir nicht möglich, alle die mir vorge 
schriebenen Bäder, Packungen, kalte Abreibungen usw. usw. auszuführen. 
Ich habe niemanden, der mir das macht; in meiner Kammer ist es jetzt im 
Winter kalt, meine Wirtin kann oder will mir dies nicht alles besorgen, 
Tücher, Decken und dergleichen kann ich mir nicht anschaffen, dazu habe 
ich nicht das nötige Geld. Ich habe es ja versucht, aber mir ist dabei nicht 
besser, sondern ich bin eher kränker geworden,“ — „Nun dann müssen Sie 
sich jemanden kommen lassen, der Ihnen die Sache richtig macht.“ 
— „Das geht auch nicht, erstens kostet mich die Sache, da ich Kranken 
geld nicht beziehe, zu viel Geld, und dann hat meine Schlafstelle auch 
keinen Ofen, was aber die Hauptsache ist: um dies alles durchzuführen, 
was auf diesem langen Zettel steht, den ich in Porm eines Receptes er 
halten habe, hätte ich ja von früh bis Abends zu thun, und ich könnte 
dabei gar nichts machen. Das will ich aber nicht, denn sonst büße ich 
meine Arbeit ein, und was das bei der jetzigen Arbeitslosigkeit bedeutet, 
wissen Sie ja selbst.“ 
Unter diesen Umständen sieht sich der Kassen Vorstand veranlaßt, 
ihm einen anderen Kurschein auszustellen, mit dem der Patient nun zu 
einem anderen Arzte geht. — Ja, aber wo bleibt dabei die Kasse? Sie be 
zahlt für diese 14 Tage für Konsultationen, vielleicht auch Bäder und 
Massagen 10—12 Mk. und die Kur geht wieder von neuem an. Wir haben 
angedeutet, es ist etwas kostspielig. Mancher wird darüber den Kopf 
schütteln, wird sagen, man hat ja keine Ausgaben für die Apotheke zu 
machen, was bei einem Mediziner der Pall ist. Das ist ja richtig. Die 
Kassen Vorstände bezw. Kassierer wissen das aber besser. Viele derselben 
haben gerade bei den letzten Vierteljahrsrechnungen die Köpfe auch ge 
schüttelt, wenn sie für erwerbsfähig Kranke oder deren Kinder, die fast 
täglich von Konsultationen Gebrauch gemacht hatten, für kurze und nicht 
schwere Krankheiten Beträge zu zahlen hatten, bei denen eine Kasse auf 
die Dauer kaum bestehen kann. Und wie gesagt, dazu kommen in sehr 
vielen Pällen nachträglich auch noch Rechnungen für Bäder, Massage und 
andere Anwendungen. Daß die Methode namentlich für erwerbsfähige 
Kranke auch zu •'Zeitraubend ist, ist oben schon nachgewiesen worden. 
Immer und immer hört man von den Kranken, man muß 3—4 Stunden 
warten und der halbe Tag ist verloren. 
Aus alledem geht aber hervor, daß die Herren, welche die Naturheil 
methode anwenden, in Zukunft etwas mehr Rücksicht auf die finanziellen 
Verhältnisse der Krankenkassen und deren Mitglieder nehmen müssen, 
wenn sie ihre Heilmethode bei diesen schon aus finanziellen Gründen nicht 
in Mißkredit bringen wollen. Es ist ja richtig, jeder Mensch will leben und 
muß verdienen, und die Kassen wollen ihren Mitgliedern, so weit sie von 
der Richtigkeit und Nützlichkeit der Naturheilmethode überzeugt sind, 
keineswegs ihre Rechte verkürzen, soweit es das Gesetz überhaupt gestattet. 
Aber wir haben auch die Meinung, daß dasselbe ebensogut erreicht wird, 
wenn dieselben 1, 2 oder 5 Mal die Woche beraten werden, als wenn dies 
4, 5 oder 6 Mal geschieht, wodurch die Kosten bei den Kassen nur ver 
doppelt werden. 
Im großen Ganzen halten wir also ebenfalls die Naturheilmethode für 
gut, nur gehört zur Durchführung derselben seitens der Patienten eine ge 
wisse Energie, ein Verständnis, eine Ausdauer (Anm. d. Red.: Sehr richtig; 
deshalb aber ist es Pflicht eines jeden, in Naturheilvereinen sich dies an 
zueignen);; aber auch die passenden Wohnungsverhältnisse, wie man sie 
leider heutzutage noch bei so Vielen nicht voraussetzen kann. Die wirklich 
praktische Durchführung für das große Publikum halten wir nur dann für
	        
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