Volltext: Der Naturarzt 1894. (1894)

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der Schulmedizin. Mit einem Worte: die meisten Menschen glauben noch 
nicht an die Naturheilmethode, weil sie nicht von den Akademien gravi 
tätisch zu ihnen herabschreitet, sondern von unten aus dem Volke her 
aufkommt. Was für uns wirkt, sind fast niemals theoretische Betrach 
tungen, sondern immer nur unsere Erfolge, und —- die Misserfolge 
anderer. Meist rekrutieren sich die Anhänger der arzneilosen Heil 
kunde aus denen, die am eigenen Körper oder an den Leibern 
ihrer Angehörigen den Segen physiatrischer Behandlung kennen 
gelernt haben. Die Schwierigkeiten, mit denen wir uns den 
Boden Schritt für Schritt erobern müssen, habe gerade ich in Leipzig 
genügend studiert und lerne es noch Tag für Tag, wie ich in den Augen 
der Aerzte ein Paria geworden bin: So hatte ein früherer intimer Freund 
von mir, ein Studiengenosse, mit dem ich einst jahrelang auf Du und Du 
gestanden, für den in seinen Augen zum Naturarzt herabgesunkenen 
Charlatan nur noch ein sehr kühles „Sie“ übrig, als ich ihn hier wieder 
begrüsseit wollte. Das hätte ich allerdings als Anhänger unseres Heil 
verfahrens wissen müssen, dass jeder, der sich von der Apotheke eman 
zipiert, in den Augen der strenggläubigen Allopathie ein Dummkopf ist. 
Nirgends ist unser Ringen härter, wie in Universitätsstädten, wo die 
offizielle Heilkunst die Sessel der Akademiker inne hat und mit 
überlegenem Standesbewusstsein auf alles herabsieht, was anders denkt. 
Hat man doch auch einen sehr tüchtigen Homöopathen, Herrn Dr. H r 
gleich mir den Weg aus dem Bezirks verein gewiesen, weil er sich erlaubte, 
über Quecksilberkuren eine eigne abweichende Ansicht zu haben, und in 
einem bestimmten Fall darin „so etwas wie Vergiftung“ sah. Natürlich 
versteht davon nach der Meinung der anderen ein Homöopath ebenso 
wenig, wie unser einer. Wir dagegen haben wieder die Ansicht, dass 
ein Professor der Allopathie über die Homöopathie ebenso wenig urteilen 
kann, wie über die Naturheilmethode aus dem sehr einfachen und gewiss 
stichhaltigen Grunde, weil er beides nicht kennt, sondern aus Princip 
verkennt. Leider aber beherrscht heutzutage noch die Schulmedizin, die 
der Staat heute noch mit vielen Vorrechten umgiebt, die Menge. Dazu ver- 
schliesst der persönliche Verkehr dieser Herren mit den besseren Kreisen der 
Gesellschaft diese, wenigstens in Universitätsstädten, uns fast vollständig. 
Das kann ich so recht in den öffentlichen Vorträgen beobachten, die ich hier 
und anderwärts gehalten. Wie ganz anders war beispielsweise die Physio 
gnomie der anwesenden Versammlung in Dresden und Chemuitz wie hier 
in Leipzig, der Universitätsstadt, die in allem Fortschritt den übrigen 
vorauseilen sollte und es doch nicht thut. Wie oft passiert es nicht, dass 
wir Scherze und Witzchen über unser Verfahren von sonst klugen und 
vorurteilslosen Leuten ergehen lassen müssen, die eben nur durch voll 
ständige Unkenntnis der Verhältnisse erklärt werden können. 
f* ■ Und doch bin ich felsenfest davon überzeugt, dass unsere Bewegung 
trotz Büchner, dem Manne von Kraft und Stoff, unter dem Zeichen glück- 
verheissender Sterne steht, dass die Naturheilmethode wohl eine Rückkehr 
zur Natur, dem unversiegbaren Born aller Wahrheit, niemals aber einen 
Rückschritt bedeutet, dass wir siegen werden. Was ist nicht in den letzten 
Jahren alles Grosses in unserer Sache geschehen: Hinauf bis zu den 
Thronen regierender Herren strahlt das neue Licht jenes Gestirns, das 
einst über dem Gräfenberge aufging, und es giebt keine Gesellschafts 
klasse mehr, in der die Naturheilmethode nicht Heimatsrecht ausübe. 
.In Millwaukee will man jetzt eine Naturheilanstalt für 2 Millionen
	        
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