Volltext: Der Naturarzt 1894. (1894)

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Wir sahen an den Muskeln, wie regelmässige Thätigkeit sie 
kräftigt, Unthätigkeit sie Verkümmern lässt. Setzt man beim Essen 
die Kaumuskeln kräftig in Bewegung, so steigert sich die Blutzufuhr. 
Das kommt den Kaumuskeln, Kieferknochen und Zähnen gleichmässig 
zu gut. Die letzteren werden fest und widerstandsfähig. Sie sind 
zum Kauen, zu harter Arbeit geschaffen. Leider isst man jetzt fast 
durchweg nur Brot von feinem Meid. Selbst auf dem Lande zieht 
man das „ Bäckerbrot £> dem selbstgebackenen Brot von grobem Mehl 
vor. Pumpernickel, Kommissbrot, grobes Landbrot muss man langsam 
und kräftig kauen. Das macht die Zähne fest und verhindert das 
Ansetzen von Unreinigkeiten. Man sollte deshalb die Speisen nicht 
zu oft in Form von Brei gemessen, und wenn man Brei isst, stets 
Brot dazu kauen. Kinder sollen die Brotrinden nicht liegen lassen, 
Brot, Semmel und Kuchen nicht im Kaffee aufweichen, Fleisch nicht 
wieder herausbringen, wenn es noch ein wenig fest ist, Gries, Graupen, 
Reis, Linsen, Hirse nicht ganz, Kartoffeln, Hüben, Salat, Obst nicht in 
Stücken hinunterschlingen, Obst öfter roh als gekocht essen. Wer 
beim Mittagessen stets etwas altbackenes Brot zubeisst, wird sich an 
langsames Kauen gewöhnen. Frische Backware lässt sich nicht völlig 
zerkauen; sie klumpt; es gelangen iipmer unzerkaute Stücke davon 
in den Magen. In Städten und zum Teil auch auf den Dörfern isst 
man fast durchweg morgens frischbackene Semmel. Das ist keine 
gute Sitte. Ein Teller Suppe, ein Schnittchen Schwarzbrot und rohes 
Obst ist eine viel bessere Kinderkost zum Frühstück. Selbstredend 
bekommt sie auch Erwachsenen gut. Wer es irgend haben kann, esse 
früh ein Stückchen roher Mohrrübe; das hält die Zähne blank, und 
der süsse Saft ist das empfehlenswerteste Mittel gegen Eingeweide 
würmer. Unsere Kinder werden um so seltener an YerdauungsStörungen 
leiden, je mehr sie gehalten werden, grobe Nahrung zu essen und 
sie gut zu kauen. 
Giesst man heisse,s Wasser in ein kaltes Glas oder umgekehrt, 
so springt das Glas. Der Zahnschmelz ist einö tote Masse, ähnlich 
wie Glas. Isst man heiss und trinkt dazwischen kalt, so entstehen 
Hisse und Lücken im Schmelz. Beim Auf heissen von Nüssen, beim 
Abbeissen von Garn, werden Teilchen des Schmelzes abgesprengt. 
Wo der Schmelz sehr dünn ist, wie in tiefen Kaufurchen, oder dort, 
wo das Zahnfleisch beginnt, nutzt er sich leicht ab. An solchen 
Stellen ist das Zahnbein ohne Schutz und wird von Säuren angegriffen. 
Man fühlt dann schon beim Essen saurer Gurken oder säuer 
lichen Obstes, dass die Zähne „stumpf“ werden. Die Säure des 
frischen Obstes wirkt aber keineswegs schädlich auf die Zähne; der 
Speichel wäscht sie sofort wieder rein. Anders, wenn das Gebiss 
dauernd mit Säuren in Berührung bleibt. Werden die Zähne nicht 
gründlich gesäubert, so bildet sich zwischen ihnen und am Zahnfleische 
ein schmieriger, ekelhaft riechender Belag. Er besteht aus Schleim, 
abgestorbenen Schleimhautzellen und Speiseresten. Diese Masse 
gährt in der feuchten Wärme des Mundes und wird sauer. Findet 
die so entstehende Säure Risse, Sprünge, freie Stellen, wo sie aufs 
Zahnbein dringen kann, so verbindet sie sich begierig mit dem Kalk 
desselben. Das Zahnbein erweicht, fault, zerfällt; es entsteht Zalin- 
frass (Caries). Der Belag reizt, ätzt auch das Zahnfleisch. Es entzündet 
sich, wird locker, blutet leicht und kann sogar in Eiterung übergeben.
	        
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