Volltext: Der Naturarzt 1894. (1894)

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wird sich vielfach aufs Turnen beschränken müssen Doch findet er bei 
gutem Willen wenigstens . Sonntags Gelegenheit, mit Kind und Kegel ins 
Freie zu wandern. Nur setze er sich nicht in den Biergarten und zum 
Skat, sondern laufe und spiele mit den Seinen. Auch während der Woche 
sollte man das Turnen und Spielen nicht verabsäumen. Wer es irgend kann, 
thue es in Gesellschaft. Selbst ältere Herren finden in den „Herrenriegen“* 
der Turnvereine gute Kameraden. Das Turnen sollte möglichst nur im 
Freien stattfinden und die Turnhallen nur im Notfälle benützt werden, 
sonst geht der Vorteil des Tiefatmens in frischer Luft verloren. Das 
Zimmerturnen wird leicht einseitig und regt Geist und Gemüt nicht an. 
Leider sind Jugend- und Volksspiele in Deutschland noch nicht zur Volks 
sitte geworden. Insbesondere haben Mädchen und Frauen noch zu wenig 
Gelegenheit zum Spielen und Turnen. Und gerade sie bedürfens am 
nötigsten. Sie sollten mit Männern und Knaben um die Wette laufen^ 
turnen, spielen, schwimmen und radfahren. Das müsste ein Geschlecht 
geben! 
Wer sich aufs Zimmerturnen beschränken muss, suche wenigsten» 
in Gesellschaft mit Frau und Kindern täglich 10—15 Minuten ru 
turnen. Die „Aerztliche Zimmergymnastik“ von Schreber, sowie dm 
„Hausgymastik für Gesunde und Kranke“ von Dr. Angerstein und Eckler 
bieten reichen Stoff dazu. Es sind besonders solche Uebungen zu bevor 
zugen, die die Brust- und Bauchmuskulatur in Anspruch nehmen. Die 
Beinmuskeln werden im allgemeinen durch das Gehen, selbst schon durch 
das Stehen, genügend in Thätigkeit gesetzt. Man turnt bei offenem Fenster,, 
nie unmittelbar, sondern frühestens zwei Stunden nach dem Essen, ent 
ledigt sich dabei aller beengenden Kleidungsstücke (Hosenträger, Riemen, 
Bänder). Die Uebungen werden stets so ausgeführt, dass nach einander 
Arme, Rumpf und Beine in Bewegung kommen und darauf etwa 20mal 
Tiefatmen am offenen Fenster folgt. Z. B. lOmal Armheben seitwärts^ 
5mal Rumpfbeugen vorwärts, lOmal Kniebeugen, 20mal Tiefatmen; 
nach einer kurzen Pause lOmal Armwerfen rückwärts, 5 mal Rumpf 
beugen seitwärts, lOmal Anziehen der Knie an den Leib, 20mal Tief 
atmen; — u. s. f. Jede Uebung ist anfänglich 5—10, später 20—30mal 
auszuführen. Beim Zimmerturnen werden die Uebungen mit dem Lai“ 
giadere’schen Arm- und Bruststärker, sowie mit Holzkeulen noch zu 
wenig beachtet, obwohl grade sie für ältere Herren, Frauen und Mädchen 
recht geeignet sind.*) 
Der Fabrikarbeiter, der Weber, die Nähterin freilich werden von den 
„Krankheiten, die nicht in der Luft stecken, sondern in den vollen Schüsseln 
und Gläsern, in den weichen Sesseln und seidenen Betten,“ nicht viel zu 
besorgen haben. Aber unter dem Mangel an Bewegung in frischer Luft 
leiden sie bei ihrer schmalen Kost noch schwerer als diejenigen, die dem 
lieben Gott die Zeit stehlen, und zwar um so mehr, je früher sie „ver 
dienen“ müssen, je weniger der Körper entwickelt ist, wenn die Not sie 
an den Webstuhl, die Maschine fesselt. Aber auch hier würde es schon 
jetzt viel weniger Leid geben, wenn man seine Muskeln täglich mehrere 
Male einige Minuten kräftigst, in Bewegung setzte und den Sonntag be 
nutzte, um durch Feld und Wald zu streifen, statt im Qualm der Kneipe 
Karten zu spielen und Bier und Branntwein zu trinken, oder sich in der 
staubigen Luft des Tanzsaals zu drehen. 
*) Als passender Leitfaden fürs Keulenschwingen sei empfohlen „Das Keulen 
schwingen“ von Wortmann (Hof hei B. Lion).
	        
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