Volltext: Der Naturarzt 1892 (1892)

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Folgendes: Ich liess ihm im Ganzen seine eigentümliche Darstellung im Ausdruck und 
Periodenbau und änderte nur die veraltete Orthographie, übersetzte die Fremdwörter und 
erklärte die lateinischen Ausdrücke. 
So erhebe sich denn dieser wiederauflebende Wasserhahn mit verjüngten Schwingen 
und setze sich hin auf die Zinnen des Gesundheitstempels und krähe, dass man es 
durch ganz Deutschland und dessen Umgrenzen höre! Und alsbald krähete der Hahn. 
Matth. 26, 74. Professor Dr. Oertel. 
Vorrede des Verfassers. Die Welt hatte schon bei zweitausend Jahre gestanden, 
und ihre Einwohner waren zu einem weit höheren Alter, als ihre Nachkommen, gelangt 
und hatten dcch noch nichts anderes als Wasser und Milch getrunken. Nachdem Noah 
gelehrt, den Wein, und die Aegjpter, wie man glaubt, das Bier zu machen und zu 
trinken, so verliebten sich die Leute gar bald in diese die Zunge kitzelnden Getränke, 
dass ihrer viele das Wassertrinken gar darüber verlernten. Sie wurden wohl gewahr, 
dass ihr Alter immer kürzer und der kränklichen Zufälle ihrer Leiber immer mehr 
wurden; aber das noch jetzt bei den Bacbusbrüdern beliebte Sprichwort: Ich trinke, 
was mir schmeckt, und leide, was ich kann! ist gar zeitig aufgekommen, und die 
Wollust eines zärtlichen Geschmacks überwog bei vielen die schmerzhaften Empfindungen 
eines durch jene verderbten Körpers. 
Sie konnten sich nicht überwinden, dem Geschmacke wehe zu thun, und damit 
sie mit desto ruhigerm Gewissen demselben Genüge thun konnten, so suchten sie sich 
durch allerlei Scheingründe selbst zu überreden, dass die Ungemächlichkeiten, welche sie 
fühlten, nicht sowohl dem ihnen so anmehmlichen Gebrauche starker Getränke, als 
vielmehr der natürlichen Beschaffenheit ihrer Leibesmaschine, oder sonst andern Ur 
sachen zuzuschreiben wären. Man bemühte sich wohl gar, den täglichen Gebrauch des 
Weins und Biers auch andern anzupreisen und deren Tugenden und Kräfte den besten 
Arzneimitteln gleich zu setzen. Ja, man ging noch weiter, und trachtete auch dem 
jenigen, was man bisher für unschuldig und gesund befunden hatte, diesen Ruhm streitig 
zu machen und das Wassertrinken als etwas Schädliches auszuschreien. Der Eine be 
hauptete, dass er sich damit erkältete und das natürliche Feuer auslösche, und der 
Andere versicherte, dass ihm solches den Magen schwäche und die Verdauung verhindere. 
Die verwöhnten Jungen liessen sich gern dasjenige bereden, was sie wünschten, dass es 
wahr sein möchte, und furchtsamen Gemütern konnte ein unverschämtes Vorgeben leicht 
Sorge und Zweifel erwecken. 
So legte der wollüstige Geschmack des Menschen zuerst den Grund zu Schwächung 
des Kredits, in welchem das Wasser von Anfang der Welt gestanden hatte. Die Ge 
winnsucht vereinigte sich alsdann mit der Wollust, und so war es kein Wunder, wenn 
das Wasser endlich um sein Ansehen gebracht, und dessen Gebrauch denjenigen ver 
leidet wurde, welche Wein und Bier zu bezahlen hatten. 
Es fanden sich bald Leute, welche wohl einsahen, wie viel dabei zu verdienen 
wäre, wenn der angenehme Rebensaft von leckerhaften Zungen fleissig gekostet würde, 
und ganze Städte und Gemeinden zogen einen grossen Profit, wenn man allerlei köst 
liche Biere verschenkte und die Menschen beredete, sich desselben statt des bisher 
üblichen umsonst zu habenden Wassers zum Trinken zu bedienen. 
Mancher Arzt trug selbst zu diesen so gekünstelten Getränken ein grosses Be 
lieben, und wir sind nur allzu geneigt, auch andern dasjenige anzupreisen, was wir 
selbst lieben; zi geschweigen, dass bei dem Wein- und Biertrinken die medizinische 
Praxis augenscheinlich zunehmen musste, da es hingegen wenig für unsere Mitbrüder 
abzuwerfen pflegt, wenn die Menschen bei der ohne Geld zu habenden Universalmedizin, 
dem schlechten Wasser, verbleiben sollten. 
Was aber Gewinnsucht und Wollust noch nicht vollenden konnten, das brachten 
die Kunst und die Thorheit der Menschen vollends zu stände. Die Kunst hat allezeit 
getrachtet, über die Natur den Vorzug zu erhalten, und die Thorheit liess sich leicht 
überreden, dass die Werke der Kunst weit vortrefflicher, als die Werke der Natur sein 
müssten, weil diese, so zu reden, von sich selbst ohne Mühe hervorkamen, jene 
aber durch die mühsamste Arbeit und tiefes Nachsinnen zum Vorschein gebracht 
werden mussten. (Fortsetzung folgt.) 
An unsere Freunde! 
Bericht und Bitte. 
Als wir Ihnen unseren letzten Bericht über unsere Thätigkeit zu 
gehen liessen, durften wir von reichen Hoffnungen auf einen glücklichen 
Erfolg sprechen. In der That konnten wir mit Genugthuung verzeichnen,
	        
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