Volltext: Der Naturarzt 1892 (1892)

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verschlimmerte sich das Leiden derartig, dass er den hiesigen Naturarzt Conrad kommen 
liess, weichem er auch das unbegrenzteste Vertrauen entgegenbrachte. Obwohl dieser, 
trotz der umfangreichsten Praxis, täglich von 12 — 9 Uhr am Krankenbett persönlich 
weilte und wirkte und den hochaufgeschwollenen, entzündeten Unterleib durch ableiten 
des Verfahren und Klystiere zu entlasten und die Darmthätigkeit anzuregen sich bemühte, 
es war alles ohne Erfolg. Von Herbeiziehung eines approbierten Naturarztes wollte der 
Kranke, da er Conrad’s Heilerfolge kannte, nichts wissen, und auch seine Frau traf erst 
wenige Stunden vor seinem Tode zur Pflege ein, da er, stets so rücksichtsvoll, ihre Kur 
nicht stören wollte. Als man endlich Dr. Max Böhm aus Weimar noch ans Krankenbett 
telegraphierte, war alle Hilfe bereits vergeblich. Vielleicht! Ich sage: Vielleicht wäre 
es möglich gewesen, das Leben des Edlen zu retten, wenn er unter geordneten Verhält 
nissen daheim erkrankte. Vielleicht auch nicht. Kein Arzt, auch kein Naturarzt hat das 
Lehen unfehlbar in seiner Hand. „Natura sanat, medicus curat!“ hat schon Hippokrates 
gesagt. Ohne Todeskampf, zuletzt ohne Schmerzen und bei voller Besinnung ist der edle 
Streiter hinübergeschlummert. Als ein von seiner Frau noch hinzugezogener Mediziner 
behufs Blutentziehung Blutegel verordnen wollte, weigerte sich der Schwerleidende mit 
den Worten: „Wir werden uns doch nicht erst lächerlich machen!“ Wie er gelebt und 
gelitten, ist er auch gestorben — als Mann! Der Verstorbene war unermüdlich thätig 
im Dienste für die Menschheit, und was er als Verfechter der Interessen des Lehrer 
standes auf Provinziallehrerversammlungen und Lehrertagen gewesen ist: das werden ihm 
seine Kollegen gewiss auch nicht so leicht vergessen. Besonders warm schlug sein Herz 
für die Arbeiter. Als Leiter der Thüringischen Vortragsgruppe ist er fast unersetzlich, 
und wie erfahrungsreich er hierin war, beweist sein Artikel in Nr. 8 unseres Bundes 
blattes. Dieser Aufsatz bildet gleichsam sein Vermächtnis. Wer hätte das vor vier 
Wochen beim Lesen desselben ahnen können! Aber was uns der Hingeschiedene ge 
wesen — wir wollen es nie vergessen. Seinem Beispiele gemäss wollen wir leben und 
wirken. In seine Mühen und Opfer wollen wir uns teilen, Schulter an Schulter wollen 
wir zusammenrücken, einander stützend und deckend, damit sich die Lücke schliesse, die 
in unsere Reihen gerissen worden ist. Das wollen wir, und so ehren wir das Andenken 
unseres unvergesslichen Hoppe! 
H. L. 
Die Gholera, 
ihre Verhütung und naturgemässe Behandlung. 
Von Spohr, Oberst a. D. 
I. Ist die Cholera ansteckend, und kann sie verschleppt werden? 
Wenn man meinen 1884 geschriebenen: „Choleralärm in Europa 
1884“*) mit der Jahreszahl „1892“ versehen wollte, so würde es wieder 
ein nagelneues und auf die jetzigen Zustände völlig passendes Buch sein. 
Ich kann daher auch nichts gegen die Ansteckungsfähigkeit der 
Cholera oder des Cholera-Kommabacillus, dessen Wert von mir bereits 
damals vollständig gewürdigt wurde, hier vorbringen, was ich nicht dort 
bereits unwiderlegt und unwiderleglich bewiesen hätte. 
Da aber von allen konservativen Dingen der Aberglaube das Aller 
konservativste ist, so will ich hier nochmals versuchen, mit Thatsachen 
und Gründen ihm zu Leibe zu gehen und sein ceterum censeo: „Es ist 
aber doch so“ zu entwurzeln. 
Ich kann dabei aus recht gründlicher Erfahrung ein Wort mit 
sprechen; denn ich habe die Cholera schon in den 80er und 40er Jahren 
gesehen, sie 1854 in Büderich bei Wesel selbst, durchgemacht und bin 
endlich 1866 mitten im dicksten Heeresmarsche der Cholera in Böhmen, 
Mähren und Oesterreich 2 Monate hin und her gezogen. Dass ich 1854 
nicht angesteckt wurde, sondern mir die Cholera gleich am 1. Tage nach 
dem Einrücken in jenen Ort, in welchem allerdings schon 7 Todesfälle 
*) In 2. Auflage 1885 als „Cholera, ihre Verhütung und Heilung“ hei 
Schmorl & v. Seefeld in Hannover erschienen. 168 Seiten. 1,20 Mark.
	        
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