Volltext: Der Naturarzt 1892 (1892)

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bogen zu erhalten, es öfters von der Fingerspitze nach der Hand zu und in 
umgekehrter Richtung, sowie auch ringförmig zu massieren, namentlich nach den 
Waschungen u. s. w. Diese Behandlung lhatte den Erfolg, daß daS Gelenk 
in den nächsten Monaten wieder völlig biegsam wurde. Was dies besagen 
will. namentlich für einen Schneider, der den Zeigefinger der rechten Hand 
ganz besonders nötig hat, mögen die Leser selbst beurteilen. Nur über den 
Mangel an Gefühl in der untern durch die Schnittnarben stark mitgenommenen 
Fläche der Fingerspitze klagte E. Ich empfahl ihm dagegen öfteres Schleifen 
und Wetzen derselben in der innern Handfläche der linken Hand bis zu ent 
stehendem hochgradigem Httzegefühl. Als ich vor einiger Zeit Schneider E., der 
längst sein Handwerk wieder fleißig betreibt, auf dem Spaziergange traf, zeigte 
er mir den ganz gesunden und durchaus beweglichen Finger mit den Worten: 
„Das Gefühl in der Fingerspitze hat sich auch sehr gebessert." 
Und nun, lieber Leser, vergleichen wir zum Schlüsse einmal, was ein 
akademischer Lehrer der Chirurgie, Herr Profisior Dr. Eduard Albert (Wien) 
in seinem Lehrbuche der Chirurgie (Wien und Leipzig 1890) Teil II Seite 
481—484 über das in Rede stehende „Panaritium" äußert. 
Da erfahren wir zunächst, daß die alten Benennungen (Siehe Eingangs) 
nichts wert sind; an ihre Stelle treten Paronychia (Entzündung des Nagel 
bettes, im Volke (Umlauf), Phlegmone des Zellgewebes (wenn der Sitz 
der Entzündung in der Haut ist, früher „subcutan" genannt) Tendovagtnitis 
(Entzündung der Sehnenscheide, früher Panaritium tendinosum) Ostitis 
(Knochenentzündung, früher Panaritium periostale), Arthritis (Gelenkent 
zündung statt Panaritium artikulare). Diese neuen Bezeichnungen mögen 
chirurgisch logischer und auch für eine genaue Diagnose wertvoller sein, aber 
daß dadurch die chirurgische Kunst, sie zu heilen, nicht viel wertvoll ergeworden, 
werden nachstehende Ausführungen zeigen. 
Beim Umlauf wird die „Spaltung des Nagelfolzes" unter Unempfindlich- 
machung durch Kokain empfohlen, der Eiter soll sich dann „in Kurzem" 
selbst Bahn brechen. 
„Eine bloße Zellgewebsphlegmone bricht in einigen Tagen auf und 
heilt spontan (freiwillig), wenn nicht ganz besondere Schädlichkeiten, wie In 
fektion (Ansteckung) oder künstliche Reize im Spiele waren" (S. 483). Ja, 
„wenn nicht"; aber wer kann das vorher wisienl Der gewiegteste 
Chirurgs nicht! Wir heilen aber jeden Umlauf und jede Zellgewebs 
entzündung mit unserem einfachen Verfahren fast schmerzlos in wenigen 
Tagen und oft ohne alle Eiterung in 24—48 Stunden. 
„Ein Ostitis der Phalangen (Knochenentzündung der Fingerglieder), 
eine Tendovaginitts (Sehnenscheidenentzündung) der Finger kann, sich 
selbst überlassen, nicht nur einen qualvollen Verlauf bedingen, sondern 
auch dauernde Schäden hinterlassen und selbst das Leben des Kran 
ken in Gefahr bringen" ('S. 483). Nachdem der Professor nun das 
brandige Absterben der Knochen der Fingers mit dem fortschreitenden Krank 
heitsprozeß in grausiger Weise geschildert, so daß schließlich nur die „Amputation" 
übrig bleibt, erfahren wir, daß deshalb die Chirurgie schon seit frühester 
Zeit das schleunige Einschneiden „bis auf die Knochen" empfohlen. 
Und nun? „Trifft man auf keinen Eiter, so hat man sich garnichts vorzu 
werfen, denn der Schnitt hat den Zweck, die Spannung der Gewebe zu be 
seitigen. Der Kranke fühlt sich auch gleich erleichtert, und so wird der 
Finger gerettet." Dieser letztere Schlußsprung ist etwas übereilt, und 
ich sah auf diesem Wege viele Finger ganz oder teilweise der Am 
putation verfallen! Wie aber, wenn Eiterung entsteht? Ja, dann ent-
	        
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