Volltext: Der Naturarzt 1891 (1891)

Schulter hinauf; jetzt sind Brust und Rücken auch schon angeschwollen. In 
der Nacht war der Junge sehr unruhig; er hat viel Hitze. Heut früh kam 
der Doktor; er hat aber nichts thun können; solche Fälle kämen zu selten vor, 
sagte er. Wir legen nun nach seiner Verordnung kalte Umschläge um den 
Arm. Wenns besser werden sollte, soll ichs dem Arzte mitteilen lassen." So 
die Erzählung des Vaters. 
Bald nach beendigter Einweihungsfeier begab ich mich mit meinem 
Kollegen zu dem armen Kranken. 
Wie es nicht anders sein konnte, fühlte sich derselbe äußerst unbehaglich; 
die Körperhaut griff sich trocken und heiß an; das Gesicht glühte. Wie war 
es nun mit dem kalten Unischlage um den kranken Arm? Allerdings ein sehr 
kalter Umschlag, jedenfalls nicht im geringsten geeignet, Heilung oder auch nur 
Bcfferung zu bewirken. Ein in kaltes Waffer getauchtes Handtuch, nur wenig 
ausgewunden, umhüllte den kranken Körperteil; weiter war nichts da, es fehlie 
egliche Bedeckung; dazu lag der Arm obenauf der Bettdecke; solche ärztlicher- 
eits verordnete Umschläge schon seit Vormittag! Als ich zu dem Kranken 
'am, war es bereits 6 Uhr. Was mir der Vater des Knaben über den Arnr 
chon mitgeteilt hatte, fand ich bestätigt: derselbe war stark geschwollen, beson 
ders im Ellbogengelenk, weswegen er nicht ausgestreckt werden konnte; Ober 
und Unterarm bildeten beinahe einen rechten Winkel. Die gespannte glänzende 
Haut crinnerte mich unwillkürlich an Gummimanschctten mit ihren nämlichen 
Eigenschaften. Schon leise Berührung des Armes verursachte dem Kranken 
Schmerzen; Brust und Rücken schmerzten ihm noch mehr. Ohne Verzug schritt 
ich zur Anwendung des Dampfbades. Der Knabe wurde unter dem Bett 
vollständig entblößt und auf einen Stuhl gehoben, unter dem schon ein mit 
kochendem Wasser gefülltes Waschfaß („Schaff') stand. Ein großes, wollenes 
Tuch, dessen Saum den Fußboden berührte, diente zur vollständigen Umhüllung 
von Stuhl und Waschfaß und umschloß den Hals des Knaben, so daß von 
ihm nur der Kopf zu sehen war. Die heißen Dämpfe, die nirgends einen 
Ausweg fanden, hatten nur kurze Zeit (höchstens 5 Minuten) auf den Körper 
eingewirkt, als dieser auch schon schweißbcdeckt war. Die günstige Wirkung 
des Dampfbades war augenfällig: der Knabe hob den geschwollenen Arm 
mit Leichtigkeit ein Stück in die Höhe, während es ihm vorher Mühe machte, 
denselben auch nur ein wenig zu bewegen. 
Als „Naturheiliger" konnte ich es mit dem Dampsbade nicht genug sein 
lassen, nun sollten auch die „Packungen" zu ihrem Rechte kommen. Tücher 
zur Rumpspackung hatte ich während des Dampfbades zurechtgelegt, so daß 
unmittelbar nach demselben die Umhüllung, erfolgen konnte. 
Um an möglichst vielen Stellen die Ausscheidung des Giftstoffes herbei 
zuführen, wurden auch Arme und Beine „gepackt". Zur weiteren Heilung ist 
etwas anderes nicht geschehen; ja, das Dampfbad ist nur noch einmal (Diens 
tag) wiederholt worden, da die Wirkung der Umschläge, die der Knabe während 
der ganzen Krankheitsdauer in geordnetem Wechsel getragen hat, geradezu er 
staunlich war. Wie der Arm zusehends angeschwollen war, so nahm er jetzt 
von Tage zu Tage ab, und zwar nicht gleichmäßig an allen Stellen, sondern 
merkwürdigerweise vom Handgelenk aus nach oben, so wie das Anschwellen er 
folgt war. Als er auf seine normale Stärke zurückgekommen war, färbte er 
sich der Hauptsache nach blau; im übrigen schillerte er in allen Farben. Dieser 
Gegensatz zwischen sonst und jetzt war doch zu stark, als daß er nicht 
zum urteilen hätte reizen sollen; der Knabe konnte sich nicht enthalten, zu 
meinem Ergötzen die Bemerkung zu machen: „Dar Orm sitt aus, olls wenn 
a oagestricha wär!" Nach einigen Tagen war auch von dieser Färbung nichts 
mehr zu sehen. Der rechte Arm glich wieder vollständig dem linken; auch
	        
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