Volltext: Der Naturarzt 1891 (1891)

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durch den feuchtwarmen Umschlag an Sicherheit und Gefahrlosigkeit weit 
übertroffen werden. 
Daß nach dieser in Nr. 10 von mir gegebenen Anweisung auch schon 
Schlangenbisse in Deutschland mit Erfolg behandelt worden sind, meine ich 
gelesen zu haben. Vielleicht können darüber Herr v. Bistram oder Herr Rikli 
Auskunft geben. Wenn es aber auch nicht der Fall sein sollte, so würde ich 
mich selbst oder die Meinigen doch unbedenklich so behandeln, weil ich von der 
grundsätzlichen Richtigkeit dieser Behandlung überzeugt bin. 
Wenn ferner gesagt wird, „wie die Aussaugung des Giftes bei der engen 
Oeffnung der Wunde durch den feuchten Verband zu Stande komme", so hat 
man sich diese nach den Gesetzen der Exosmose (Ausschwitzung) in der Art vor 
sich gehend zu denken, daß neben dem allerdings sehr kleinen Bißkanal auch 
die Talg- und Schweißdrüsen-(Ausführungs-)Kanäle der Haut in Betracht 
kommen, welche durch die entstehende feuchte Wärme in hohem Grade zur 
Thätigkeit angeregt werden. 
Was nun die nach einer „in Quedlinburg erschienenen Broschüre" vor 
geschlagene Behandlung mit „Franzbranntwein und Salz" anbelangt, die „in 
die Wunde und Wundgegend eingerieben" werden sollen, so scheint sie mir 
ganz auf dem alten vielerprobten medizinischen Grundsätze zu beruhen, daß, 
um einem Kranken recht rasch über einen kleinern Schmerz hinüberzuhclfen, 
es kein besseres Mittel giebt, als ihm nur dreist einen recht viel größern 
zuzufügen. Damit kann man sich unter Umständen sogar den Ruf eines 
„großen Arztes" erwerben. Denn da das ursprüngliche Uebel zunächst noch 
größer wird, so erscheint eine danach etwa eintretende Heilung — und die 
Geschichte der Medizin lehrt, daß selbst nach ganz toller Behandlung die 
Natur doch zuweilen noch Heilungen zu Stande bringt — nur um so rühm 
licher und verdienstvoller. 
Ich verletzte mir als 11 jähriger Knabe einmal die rechte Hand recht erheb 
lich, indem mir bei unvorsichtigem Feuerwerk ein etwa Vi Pfund Pulver ent 
haltendes Glasfläschchen in der Hand explodierte. Die Hand blutete aus vielen 
Splitterwunden, war stark.verbrannt und pulvergeschwärzt. So lief ich nach 
Hause und mußte dort auf Anordnung meiner in der Anwendung forscher 
Hausmittel sehr erfahrenen guten Mutter die verwundete Hand in mit „Franz 
branntwein und Salz" stark versetztes, kaltes Waffer halten. Ich hörte 
alle Engel im Himmel pfeiftn, biß die Zähne zusammen, dankte aber meinem 
Schöpfer, als die vorgeschriebene Viertelstunde dieses Beizbades vorüber war, 
die Hand nun mit reinem Wasser abgewaschen und mit trockener Leinwand 
verbunden wurde. Da sie dann auch gut — wenn auch langsam — unter 
Eiterung heilte (das Beizbad wurde nicht mehr wiederholt), habe ich damals 
meine Mutter auch als eine „große Aerztin" bewundert — und das verdiente 
sie schon deshalb, weil sie für „solche Kleinigkeiten" nicht einmal einen 
Doktor holte. 
Als ich aber später lernte, daß ein Tropfen Alkohol, von dem guter 
Franzbranntwein doch 40 pCt. enthält, direkt ins Blut gebracht, einen Menschen 
lötet, dachte ich über Franzbranntwein bei Wunden doch anders und meine, 
daß dieser Umstand auch wohl dem „Branntwein" oder „Alkohol" als 
„Gegengift" bei vergifteten Wunden ein unrühmliches Ende bereiten muß, 
es sei denn, daß der Grundsatz festgestellt würde, daß diese zwei Gifte im 
Blute sich gegenseitig aufheben, wovon mir bis jetzt noch nichts zu Ohren ge 
kommen ist. 
Aufgelöstes Salz greift alle organischen Gewebe stark an, weil es ihnen 
Wasser entzieht, könnte möglicherweise also die verletzten Blutgcfäßchen zum Teil 
Zerstören, ob damit auch das „Schlangengift", darüber habe ich keine Erfahrung.
	        
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