Volltext: Der Naturarzt 1891 (1891)

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Gemütern haften, daß man aber andererseits auch darüber nachdenkt, welche 
Schwierigkeiten sich der Anwendung der Naturheilkunde unter Umständen ent 
gegenstellen könnten. Da die Möglichkeit solcher nicht zu leugnen ist, so wird 
es immerhin nützlich sein, sie einer näheren Betrachtung zu unterziehen und 
das zweckmäßigste Verhalten zu erörtern. 
Da wird z. B. gefragt, „was zu machen sei, wenn man, allein im 
Walde wandelnd, von einer Kreuzotter dicht oberhalb des Knöchels (also in 
einer Körpergegend, welche man selbst nicht mit dem Munde zu erreichen, also 
auch nicht eine dort befindliche Wunde auszusaugen im Stande ist) gebissen 
worden sei und man noch ^eine halbstündige Wanderung vor sich habe/' Weiter 
wird gefragt, „ob es zweckmäßig sei, die Wunde mit einem Messer zu erweitern, 
um sie ausbluten zu lassen, und aus einem Taschentuche einen Strick zu drehen 
und denselben oberhalb der Wunde fest umzulegen." 
Meine Antwort auf diese Fragen lautet: Wenn Wasser in der Nähe ist, 
und wäre es auch nur in einem Tümpel, so wasche man die Wunde sorgfältig 
damit aus, reiße dann einen entsprechend großen Fetzen (s. Nr 10) aus dem 
leinenen oder baumwollenen Hemde (hoffentlich ist der Verwundete kein Jäger 
anhänger in Wolle) oder aus einem Taschentuch (da giebt es doch wohl 
noch keine Jäger-wollenen?), benetze denselben, nachdem man ihn doppelt zu 
sammengelegt (nach Nr. 10), erwärme ihn, wenn das Wasser kalt ist, eine 
Weile auf der Herzgegend und lege ihn dann gut angedrückt auf die Wunde, 
wo man ihn mit dem Rest des Taschentuches bezw. einem andern Hcmdstreifen*) 
(neser darf auch ein wollener sein), ihn mehrfach umführend, zweckmäßig be- 
lestigt. Alsdann ziehe man seine Fußbekleidung an und wandere oder laufe 
schleunigst weiter, dahin, wo man eine vernünftige Behandlung am ehesten 
fortsetzen kann. 
Giebt es kein Waffer in der Nähe, oder ist sein Fundort dem Ver 
wundeten unbekannt, so rate ich, den abgerissenen Hemdstreifen oder das 
trockene Taschentuch (Hosenträger rc) oberhalb der Wunde nochmals umzu- 
sühren und fest anzudrehen, um die rückläufige Bewegung des Venenbluts 
zum Herzen und damit die Aufsaugung des Giftes möglichst zu hemmen. 
Vorher drücke man die Wunde in der Richtung von oben nach unten, mit 
einer Hand kräftig streichend, während man mit der andern den untern Wund 
rand umfaßt, sorgfältig aus. 
Zur Erweiterung der Wunde durch einen Messerschnitt, rate ich deshalb 
nicht, weil, wenn dies ein Laie vornimmt, dabei Verletzungen stattfinden 
könnten, die schlimmer wären, als der Schlangenbiß selbst, während das Aus 
blutenlassen mittelst eines auf die Wundgegend und über die Wunde aufge- 
gesetzen Schröpfkopfes ein weit besseres Mittel zur Entfernung des Giftes 
ist. So sollen sich Eingeborene in Afrika eines mitgeführten, aus Tierknochen 
hergestellten Schröpfkopfes als Gegenmittel gegen Schlangenbiffe mit großem 
Erfolge bedienen. 
Daß schnelle Bewegung, heftiges Laufen nach dem Biß einer 
Natter nützlich ist, beweist die Thatsache, daß man in Indien dieses Mittel mit 
Erfolg selbst gegen den Biß der eodrg. capella (Brillenschlange) anwendet. Daß 
es hier also nur der Stoffwechsel selbst und die vermehrte Zuführung von 
Sauerstoff ist, welche die Heilung bewirken, liegt auf der Hand. Sonst 
empfiehlt die Medizin örtliches Ausbrennen, Ausschneiden der Wunde, Aetz- 
mittel zur Zerstörung des Giftes, alles Mittel, welche von der Aussaugung 
des Giftes und Zerstörung desselben — denn beides geht Hand in Hand — 
*) Auch ein Hosentrög r kann dazu di um.
	        
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