Volltext: Der Naturarzt 1891 (1891)

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stanzen imprägniert hat, nach einigen Jahren, die vollkommen ausgetrock 
neten und imprägnierten Schwellen von gutem Holz nach etwa 15 Jahren, 
durch Fäulnis zerstört, aber nicht durch Pilze, die sich nur selten darin 
finden. Wie kommt es aber, dass sich in diesem Fall so selten Pilze 
zeigen? Es fehlt eben hier ein Faktor zur Erzeugung derselben, nämlich 
die feuchte dumpfe Luft, während die feuchte aber nicht abgeschlossene Luft 
bei weitem nicht solchen zerstörenden Einfluss auf das Holz ausübt wie 
die abgeschlossene. Der Zerstörungsprozess, das allmälige Verfaulen und 
Zerfallen des Holzes ist in beiden Fällen ganz ähnlich und es findet sich 
in dem einen Schwamm und in dem andern kein Schwamm oder nur 
selten; kann man nun noch behaupten, dass der Schwamm der Erreger 
der Zerstörung, der Krankheit sei? 
Ein anderes Beispiel wird unsere Ansicht noch mehr aufklären: 
Geh. Bath Kruckenberg in Halle, ein geborener Braunschweiger, erzählte 
uns in seiner Vorlesung über Schwindsucht, dass in seinem Geburtslande 
sich ein Dorf befinde, Velpke bei Vorsfelde, in welchem viele Arbeiter in 
den dortigen zahlreichen Steinbrüchen beschäftigt wären, von denen keiner 
von denjenigen, welche von Jugend auf darin arbeiteten, das vierzigste Jahr 
erreiche, weil sie alle an Schwindsucht stürben. Dies wurde mir einige 
Jahre später bei meiner Durchreise von dem dortigen intelligenten Wirt 
bestätigt. Ob sich bei diesen Kranken Bacillen finden oder nicht, habe 
ich trotz meiner Anfrage an den dortigen Arzt nicht ermitteln können. 
Jedenfalls sind bei diesen an Schwindsucht leidenden Arbeitern nicht die 
Bacillen die Ursache oder die Erreger der Krankheit, sondern der in die 
Lungen fortwährend beim Atmen eindringende Steinstaub, welcher wie 
die Tuberkeln allmälig in Erweichung, Vereiterung i&id Zerstörung der 
Lungen übergeht. Oder wird man auch hier annehmen, dass mit dem 
Steinstaub zugleich die Sporen aus den vielleicht bei der Arbeit aus- 
gespieenen und ein getrockneten Auswürfen eingeatmet werden und diese 
die Schwindsucht erzeugen? Als ich vor fünfzig Jahren, in denen man 
noch nicht von der furchtsamen Vorstellung, dass die aus den eingetrock 
neten Auswürfen in die Atmosphäre gewehten Sporen der Bacillen die sich in 
denselben Bäumen befindlichen gesunden Personen anstecken, angekränkelt 
war, die Krankenhäuser und Lazarethe als Klinicist und Compagniechirurgus 
besuchte, verfuhr man in Bezug auf den Auswurf der Schwindsüchtigen, 
die in einem grossen Saal lagen, mit einer grossen Sorglosigkeit, denn 
wenn auch schon damals jeder Lungenkranke ein eigenes Speiglas hatte, 
so fand man doch in den vielen mit Sand gefüllten Spuckkästen viel 
Auswurf, der eben wegen der Sorglosigkeit der Krankenwärter häufig 
tagelang sich darin befand und eintrocknete, also die Möglichkeit zur Ver 
flüchtigung der Sporen bot. Ich habe aber nie gehört, dass einer der jun 
gen Aerzte, die sich wegen Erlernung der damals noch ziemlich neuen 
Untersuchungsmethode der Brustorgane (Percussion und Auscultation) 
stundenlang täglich in den Krankensälen aufhielten und ebensowenig dk 
Krankenwärter angesteckt seien, als jetzt, wo man mit der peinlichsten 
Sorgfalt auf die tägliche Entfernung der Auswurfstoffe achtet. Auch 
glaube ich nicht, dass es sich statistisch nachweisen liesse, dass damals 
verhältnismässig mehr Leute an der Tuberkulose gestorben sind als jetzt. 
Die Schwindsucht kommt bekanntlich vom zwanzigsten bis fünfund- 
dreissigsten Jahr am häufigsten vor. Dies ist auch die Zeit, in welcher 
die meisten Ehen geschlossen werden. Die Eheleute kommen gerade in 
dieser Zeit in die innigste Berührung und doch hört man nur selten, dass,
	        
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