Volltext: Der Naturarzt 1891 (1891)

41 
Ueber Bacillen. 
Von Dr. med. Schulze. 
In einer Zeit, in welcher die Furcht vor Ansteckung durch den 
Samen oder die Sporen der Bacillen so weit geht, dass das Eisenhahn 
ministerium sogar verordnet hat, alle Eisenbahncoupees auf das sorg 
fältigste zu reinigen, damit die vielleicht höchstens nur einen ganzen Tag 
in denselben Beisenden nicht von den in den Polstern und auf dem Fuss 
boden haftenden oder in der Luft umherfliegenden Sporen angesteckt 
werden, halte ich es für gerechtfertigt, einmal die Frage zu erörtern: ob 
denn wirklich die Bacillen die Ursache oder die Erreger der Krankeit 
sind, wie man dies seit Entdeckung der Tuberkel- und noch mehr der 
Cholera-Bacillen fast allgemein in der gelehrten Welt, dem unheilvollen 
Autoritätsglauben folgend, angenommen hat. Diese Annahme stützt sich 
hauptsächlich darauf, dass einige Tiere, besonders Meerschweinchen, wenn 
man ihnen den Bacillen enthaltenden Saft von Kranken einspritzt, von 
ähnlichen Krankheiten befallen werden wie diese. Ist dies aber so sehr 
zu verwundern? Ist es nicht möglich, dass ein Saft, ob mit oder ohne 
Bacillen, den Kranken entnommen und in die Blutmasse eines andern 
Individuums gebracht, eine ähnliche Krankheit erzeugen kann? 
Wenn wir nun Vergleiche anstellen zwischen den Menschen und 
Pflanzen oder den leblosen Dingen, bei denen sich ebenfalls Pilze zeigen, 
dann werden wir zu ganz anderen Ergebnissen gelangen. Wir werden 
finden, dass bei diesen stets ein krankhafter Zustand und gewisse Bedin 
gungen vorausgehen, die die Pilzbildung erzeugen, und sollte dies nicht 
bei den Menschen ebenso sein? Hierzu folgendes Beispiel: In einer 
grossen Spinnerei wurde im Parterreraum ein hölzerner Fussboden gelegt, 
von welchem etwa der achte Teil nach Verlauf der ersten zwei Jahre so 
zerstört war, — vom Schwamm, wie man sagte — dass man an einzelnen 
Stellen die Dielen durchtrat. Beim Aufnehmen der Dielung fand man 
auch wirklich an der nach unten gekehrten Seite der Dielen und an den 
Unterlagen lange, mit polypenartigen Armen oder Zweigen ausgestreckte 
weisse Pilze, den Hausschwamm, dem man allgemein, wie den Bacillen, 
die Schuld beimass, dass sie das Holz angefressen und zerstört hätten. 
Der Erbauer des Gebäudes erinnerte sich nun, dass die zu den Unterlagen 
zu benutzenden trockenen Hölzer nicht ausgereicht hätten und man ge 
nötigt gewesen wäre, zur Vollendung der Dielung solche Unterlagen zu 
verwenden, die erst vor kurzem aus nicht ganz trockenem Holze geschnitten 
waren. Was war nun in diesem Fall die Ursache oder der Erreger der 
Zerstörung oder der Krankheit? Die in dem Holze steckende Feuchtigkeit, 
welche in Verbindung mit der unter den Dielen aus derselben sich 
erzeugenden dumpfen Luft das Faulen des Holzes bewirkte, während die 
Fäulniss erst die Pilzbildung hervorgerufen hatte. Wenn die Pilzbildung, 
der Schwamm, wirklich die Ursache der Zerstörung war, wie kam es denn, 
dass sieben Achtel der Dielen und Unterlagen, die mit den zerstörten 
nach zwei Seiten hin in unmittelbarer Verbindung waren, nicht angesteckt 
wurden und ebenfalls in Fäulnis übergingen? Man wird mir wieder die 
Antwort geben: „sie waren nicht dazu disponiert." Das ist richtig, das heisst 
aber, sie waren von Hause aus nicht krank, als sie zur Verwendung kamen. 
Auch die hölzernen Eisenbahnschwellen, die dem Regen und der 
Luft ausgesetzt sind, werden, je nach dem man sie künstlich vollständig 
austroknet und, wie jetzt allgemein geschieht, mit fäulniss widrigen Sub
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.