Die digitale Landesbibliothek Oberösterreich

227 
wurde, ist die Möglichkeit, dass die Erkrankung durch direkte Einatmung 
der Ausdünstungen eines Kranken hervorgerufen werden könnte, nicht 
völlig von der Hand zu weisen, doch würden diese Fälle immerhin die 
seltenen Ausnahmen bilden. In der grössten Mehrzahl der Fälle entsteht 
die Krankheit, wie oben ausgeführt, in anderer Weise; die Thatsache, dass 
öfter Diphtheritis mehrere Familienmitglieder gleichzeitig oder bald nach 
einander befällt, nötigt uns in keiner Weise eine Ansteckung anzunehmen, 
M sondern erklärt sich ganz ungezwungen aus dem Umstande, dass die Mit 
glieder einer Familie unter denselben Lebensbedingrngen sich befinden, 
denselben Schädlichkeiten ausgesetzt sind, und dass dieselben Ursachen, 
welche bei dem einen die Krankheit erzeugten, dieselbe auch bei den 
andern hervorgebracht haben. Wenn es daher auch gewiss sehr zweck 
mässig ist, die Erkrankten soviel als möglich von den Gesunden zu 
trennen, so wäre es auf der andern Seite ein schwerer Irrtum, wenn 
man glauben wollte, mit der Erfüllung dieser Vorsichtsmassregel allen An 
forderungen genügt zu haben. 
Vor allem wäre das wichtigste, nachzuforschen, ob man eine Ursache 
findet, welche die Krankheit hervorgebracht haben könnte, und, da zweifels 
ohne diese Ursache sehr häufig in dem Genusse verdorbener Nahrungs 
mittel zu suchen ist, so wären in erster Linie Speiseschrank und Speise 
kammer einer gründlichen Durchsicht zu unterziehen, und sollten sich 
hier Dinge vorfinden, die durch Aussehen oder Geruch Verdacht erwecken, 
so müssten dieselben entfernt werden. Da man indessen häufig nichts 
direkt Verdächtiges finden wird, so ist es am geratensten, wenn beim Auf 
treten von Diphtheritis Erwachsene sowohl wie namentlich auch Kinder 
£ überhaupt alle die Stoffe, in denen am leichtesten faulige Zersetzungsvor 
gänge stattfinden können, wie Fleischspeisen, Fische, besonders auch alten 
Käse, gänzlich vermeiden und lieber ausschliesslich eine reizlos vegetarische 
Kost, bestehend in Brot, Gemüse und Obst, Milch- und Mehlspeisen, ge 
messen. Sodann ist, um alle sonst etwa vorhandenen Krankheitserreger 
zu beseitigen, für grösste Reinlichkeit im Hause selbst wie in der Um 
gebung desselben Sorge zu tragen. Sollten sich in dessen Nähe Fäulnis 
stätten vorfinden, welche durch ihre Ausdünstung die Luft vergiften, so 
ist deren thunlichste Beseitigung oder Unschädlichmachung anzuordnen. 
Durch fleissiges Oeffnen der Fenster in allen Räumlichkeiten muss eine 
stetige Erneuerung der Luft bewirkt werden; auch ist darauf Bedacht zu 
nehmen, dass die nicht erkrankten Hausbewohner, soweit sie nicht durch 
ihre Beschäftigung oder durch allzu ungünstige Witterung ans Zimmer 
gefesselt sind, sich häufiger in freier Luft aufhalten. 
Von Wichtigkeit ist es ferner, dass die Gesunden sich bemühen, ihre 
Haut gut zu pflegen und abzuhärten; eine Ganz Waschung an jedem 
Morgen, zeitweilig ein laues Bad mit kühlerer Uebergiessung werden die 
i Haut in günstiger Weise anregen und dieses Organ, falls trotz dieser 
Vorsichtsmassregeln eine Erkrankung erfolgen sollte, in den Stand setzen, 
bei der angeführten Behandlungsweise die Krankheitsstoffe in der wünschens 
werten Weise wieder auszuscheiden. Auch auf eine regelmässige Darm 
thätigkeit ist Wert zu legen und, falls sich stärkerer Durchfall oder an 
haltende Verstopfung bei einem Familienmitgliede einstellen sollte, auf 
die Beseitigung dieser Zustände auf naturgemässem Wege hinzuwirken. 
Bei jedem auch noch so leichten Unwohlsein eines Angehörigen wird 
man, wenn ein Diphtheritiskranker sich im Hause befindet, gut thun zu 
bedenken, dass es sich möglicherweise um die Vorboten dieser Erkrankung