Volltext: Der Naturarzt 1891 (1891)

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das Krankenbett verließ, den Kranken durch unaufhörlich erneuerte Heißwasser 
krüge von abends 11 Uhr bis 3 Uhr früh in solchen Schweiß versetzt, daß 
dieser durch die Matratze auf den Fußboden sickerte. Als ich dann ihn sehr 
milde (23—24°) baden wollte, gaben die nächsten Angehörigen dies nicht zu, 
es wurde nach dem erwähnten Arzte geschickt; dieser kam erst um 6 Uhr früh, 
erklärte den Kranken für gerettet, das Fieber für völlig verschwunden, wollte 
aber ebenfalls weder baden, noch abwaschen, sondern hielt nur Ruhe 
für erforderlich Da der 40 jährige Kranke bei vollem Bewußtsein ebenfalls 
damit einverstanden war, so begnügte ich mich, abseits des Kranken, um diesen 
nicht zu beunruhigen, dem Arzte und der Gattin meine gewichtigen Bedenken 
gegen dieses „Weiterschmorenlassen im Schweiße", wie ich es nannte, nochmals 
vorzutragen. Vergeblich! Aber, wie recht ich hatte, zeigte sich später, als 
der Kranke in einen zunehmend lethargischen Zustand verfiel und fünf Tage 
nach jener Schwetßprozedur an innerer Lungenblutung plötzlich zu Grunde 
ging. Ein in den letzten zwei Jahren von dem Kranken gegen ein asthma 
tisches Leiden in mehr als hundert Flaschen gebrauchtes, wie die spätere 
chemische Untersuchung nachwies, stark jodhaltiges Geheimmittcl hat zu 
diesem Ausgange entschieden beigetragen; aber auch heute noch halte ich das 
im „Schweißeliegenlassen" von damals für einen schweren Fehler. 
Ein vor sechs Wochen vorgekommener Fall bei einer etwa 50jährigen 
Dame dürste die Richtigkeit meiner Ansicht bestätigen. Diese Kranke an 
einer Art Zehrfieber (ihre Temperatur bewegte sich mit ziemlicher Regel 
mäßigkeit zwischen 38 und 39,5° 0.) leidend, war vom Arzte, einem hydro 
therapeutisch behandelnden Mediziner, aufgegeben. Derselbe hielt sie für in 
der „Auflösung" begriffen. Die Ansicht war nicht unbegründet, denn die 
Kranke, welche lange in Indien gelebt, hatte dort schon die schlimmsten 
Medikamente: Calomel, Chinin, Arsenik u. s. w. massenhaft gebraucht, war 
sehr schwer krank in die Behandlung des Arztes eingetreten und in sehr herab 
gekommenem Zustande. Da trat bei bis dahin angemeffener milder Behand 
lung mittelst Rumpswicklungen, Abwaschungen, Klystieren plötzlich sehr hohes 
Fieber (nahezu 41°0.) ein, die Dame delirierte und ihre Angehörigen riefen, 
da der Arzt nicht zur Stelle, meine Frau zu Hilfe. Eine milde Rumpf 
wicklung von 22° R. nebst 4—5 angelegten Heißwasserkrügen hoben das De 
lirium in einer halben Stunde; nach weiteren 3^ Stunden konnte in einer 
Rumpfbadewanne ein mildes Bad von 25° R. gegeben werden, worauf sich 
der Zustand der Dame hob und die nächsten zwei Tage unter dem Anzeichen lang 
samer Besserung verliefen, indem sich wieder Eßlust einstellte, die Schmerzen 
nachließen, der Schlaf tiefer und ruhiger wurde. Nun hatte der Arzt für den 
Fall, daß das Fieber wieder plötzlich steigen sollte, ein Rumpfbad von 24° R. 
und 6—7 Minuten Douche vorgeschrieben. Als nun 3 Tage nach dem oben 
geschilderten ein Fieberzustand von 40° 0. eintrat, wurde von den Angehörigen 
demgemäß gehandelt. Aber schon nach 5 Minuten Badedauer trat völliger 
Zusammenbruch (Collaps) ein, die Dame wurde starr an allen Gliedern 
und abermals wurde meine Frau zu Hilfe gerufen. Diese ließ sofort Heiß 
wasserkrüge, allmählig bis 9 Stück anlegen, worauf nach 2% Stunden ge 
linder Schweiß eintrat und nun abermals ein Rumpfbad von 25° R. und 
3‘/ 2 Minuten (natürlich nicht von vorne herein so festgesetzt, sondern unter 
unmittelbarer Beobachtung meiner Frau so bemessen) gegeben wurde. Von 
da ab besserte sich die Dame stetig und ist heute völlig gesundet. 
Den letzten, kühnen Appell an die Reaktionskraft des Körpers mittelst 
recht kühler Halbbädcr, Uebergießungen und Reibungen rühmen Raußr und 
Munde, und beide führen schlagende Beispiele seines Gelingens an. Hahn
	        
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