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ein Genie; auf eine ganze Reihe von Erfindungen nahm er Patente, so auch
auf diese. — Man erkennt daran den praktischen Engländer. — Das Geheimnis
der Zange vermachte er seinem Sohne Hugh, der dasselbe zunächst in Paris
für 10 000 Thaler zu verkaufen suchte. Da aber eine dort vorgenommene
Zangenoperation fehlschlug, kehrte er nach London zurück und fand erst später
Gelegenheit, in Holland das Patent an den Mann zu bringen. Hier wurde
das Geheimmittel in noch weit schmutzigerer Welse ausgebeutet. Niemand
durfte Geburtshilfe treiben, ehe er nicht nachgewiesen, daß er dasselbe besitze.
Die Herren Examinatoren verkauften es aber nur für schweres Geld. Als sich
endlich zwei edelgesinnte Männer fanden, welche das Geheimnis veröffentlichten,
da zeigte sich, daß alle miteinander betrogen worden waren; nicht die Zange
war ihnen verkauft worden, sondern nur die ganz unbrauchbare eine Hälfte
derselben.
Nicht wahr, das ist eine Skandalgeschichte, die an ähnliche Vorkommniffe
aus letzter Zeit erinnert, in der ebenfalls eine Reihe besonders begünstigter
Aerzte mit einem Geheimmittel Unsummen verdienten, nebenbei aber noch die
unglücklichen Opfer ihrer Kuren dem sicheren Tode entgegenführten.
Uns interessiert die ganze Frage über die Zangenoperation nur insoweit,
als wir die Gründe suchen sollen, welche zusammenwirken, um die letztere nötig
zu machen, und im Anschluß daran erörtern, ob es möglich ist, durch An
wendung naturheilgemäßer Faktoren diese Ursachen zu beseitigen? Ich be
haupte nun, dies ist möglich. Ausgenommen sind natürlich jene Fälle, wo die
Schwierigkeiten der Entbindung nicht in einer Schwäche der Gebärmutter
muskulatur liegen, sondern in mechanischen Hinderniffen, wie sie z. B. durch
zu engen Bau des Beckens gegeben werden. Die das Kind austreibende Kraft
sind die Wehen, das heißt die periodischen Zusammenziehungen der Gebär
mutter. Wie ich oben schon gesagt, ist der Uterus ein Hohlmuskel mit einer
nach unten gerichteten Ausgangsöffnung, durch die das Kind bei der Geburt
hindurchtritt — die beiden nach den Eileitern bestehenden Oeffnungen sind für
unsere Betrachtungen gleichgiltig. Zieht sich nun die Gebärmutter zu
sammen, so verengert sich damit zugleich ihr Jnnenraum, und das darin Be
findliche, also das Kind, muß naturgemäß in der Richtung der vorhandenen
Oeffnung nach außen gedrängt werden. Der bekannte heftige Schmerz der
Wehe entsteht durch den dabei sich entwickelnden heftigen Druck, der so groß
werden kann, daß die Gebärmutter selbst zerreißt. Wer zufällig während einer
sehr kräftigen Wehe (bei künstlicher Entbindung) seine Hand innerhalb der Ge
bärmutter gehabt, wird niemals den Schmerz vergeffen, den ihm der fest wie
eine eiserne Klammer um das Handgelenk sich legende Muttermund bereitet hat.
Diese Kraft genügt also in der Mehrzahl der Fälle, um den Kindeskörper
auszutreiben. Selbst sehr große Köpfe werden durch dieselbe so zusammen
gepreßt, daß sie durch das Becken hindurchtreten. — Ich muß hier wieder auf
die wunderbare Vollkommenheit aufmerksam machen, mit der die Natur
arbeitet. Die einzelnen Knochen des kindlichen Schädeldaches sind nämlich noch
nicht fest miteinander verwachsen, sondern gegeneinander verschieblich, und so
kann es sich ereignen, daß unmittelbar nach der Entbindung diese förmlich an
ihren Rändern übereinander geschoben sind. Eine Thatsache, die jeder Vater
am eigenen Kinde beobachten kann, wenn dessen Geburt schwer und langdauernd
war. So besiegt die Natur durch einfachste Maßnahmen scheinbar unüberwind
liche Hindernisse. Mit jeder Wehe rückt das Kindchen etwas tiefer, bis es
schließlich als kleiner Schreier die Welt begrüßt.
Anders gestaltet sich der Vorgang bei der Wehenschwäche. Hier verließ
die Gebärmutter die Kraft, sich fortgesetzt zusammenzuziehen; die Geburt