Volltext: Der Naturarzt 1891 (1891)

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Ausspülung wurde vom Körperinnern zum Teil aufgesaugt, und die Frau, 
welche sonst nach einigen Wochen aller Wahrscheinlichkeit nach wieder gesundet 
wäre, starb als Opfer einer falschen Behandlung. Als Todesursache war 
Kindbettfieber vermerkt. Solche Fälle sind nicht vereinzelt. Der Laie 
vermag nur nicht zu beurteilen, wo die Schuld des Arztes anfängt. Dennoch 
gilt es als Dogma, an der Heilwirkung der Medizin nicht zu rütteln. Und 
derjenige, der es wagt, ehrlich zu sein, erfährt das „Verflucht" seiner Kollegen 
bei jedem seiner Schritte. Ich beschränke mich auf dies eine Beispiel. Dem 
Denkenden lehrt dasselbe soviel wie ganze Seiten von gleichen Geschichten. Es 
muß heraus, wie schwer es auch dem werden mag, der selbst früher Allopath 
war: Die Allopathie birgt in sich große Gefahren! Bei allen medizinischen 
Entdeckungen ist stets der hinkende Bote nachgekommen. Je höher erst die 
Wogen der Begeisterung schlagen, um so tiefer ist in der Folge die Ernüchte 
rung, um so elender der moralische Katzenjammer. Die Arzneiwifsenschaft und 
ihre Vertreter, sie alle tragen Brillen, die das Gesichtsfeld nicht klären, sondern 
verschleiern. Ueberall herrscht Voreingenommenheit, die so weit geht, daß jeder, 
der es wagt, anders zu denken, wie die große Herde, als ein verrannter und 
beschränkter Mensch gilt. Nun, Rückert sagt- „Das sind die Weisen, die vom 
Irrtum zur Wahrheit reisen. Die beim Irrtum verharren, das sind die 
Narren." Ein Trost für alle, welche nicht mehr medizingläubig sind. 
Die Lehre von der Antisepsis findet nirgend mehr Anwendung 
wie gerade in der Geburtshilfe. Dient schon in gesunden Tagen 
die Ausspülung der inneren Teile den Zwecken der Reinlichkeit, so 
wird sie dann unentbehrlich, wenn reichliche Absonderungen Reize auf 
d ese Teile ausüben und dieselben mehrfach verunreinigen. In den Augen 
des modernen Arztes würde es geradezu grobe und strafbare Fahrlässigkeit 
sein, während und nach der Entbindung eine solche Ausspülung mit ein 
fachem Wasser zu machen, enthält dasselbe ja nach ihrer Ansicht Massen 
nicht abgetöteter Pilzkeime. Da nun allgemein geltende Anschauungen für 
die meisten dadurch auch zugleich den Stempel der Richtigkeit tragen (da die 
selben gewissermaßen suggestiv wirken), so ist es leicht verständlich, daß die 
meisten Wöchnerinnen sich ruhig ihre Karbolwasserspülungen machen lassen, 
ja, daß die Hebamme einen einfachen Wassereinlauf in die Geburtswege aus 
zuführen verweigert. Um nun alle ängstlichen Gemüter zu beruhigen und 
andererseits den Gefahren von Karbol und Sublimat vorzubeugen, giebt cs 
ein sehr einfaches Mittel. Man kocht das zu benutzende Wasser vorher ab 
und läßt es in einem verdeckten Gefäße stehen. Die Siedehitze hält keine 
Bakterie aus, und die, welchen dabei die Lebenslust nicht vergeht, sterben erst 
recht nicht durch Apothekergifte. Die Anwendung dieses Verfahrens wird nie 
schaden, und überall ist dieselbe leicht ausführbar. Jedenfalls ist man, wenn 
wirklich in der Folge sich bedenkliche Krankheitserscheinungen einstellen, auch 
dem Gesetze gegenüber gerechtfertigt. Ich erinnere mich eines Falles, der vor 
Jahren in Hessen passirte. Ein Arzt hatte eine Kopfwunde ohne „antiseptische" 
Mittel: (Carbol) verbunden. Der Kranke ging an Kopfrose zu Grunde, und 
der Arzt wurde wegen „schwerer Fahrlässigkeit" schwer bestraft. Es muß 
daher auch jetzt noch zu größter Vorsicht geraten werden. Nur zu gern wird 
man die Anhänger' unseres Heilverfahrens für den Übeln Ausgang einer 
Krankheit verantwortlich machen, weil in den Augen der Allopathie die Natur 
heilmethode als eine in jeder Weise unzulängliche gilt: als Pfuscherei. Ob 
wir wohl die Zeit erleben werden, wo man uns volles Recht einräumen 
wird? Je größer aber die Gegnerschaft ist, um so mehr erhöht sich der 
Reiz des Kampfes, um so mehr auch stählen wir unsere Kraft, bis wir 
chließlich siegen werden.
	        
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