Volltext: Der Naturarzt 1891 (1891)

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Für unsere Frauen. 
Von Dr. inöä. Georg Zenker, Leipzig. 
In zwangloser Reihenfolge will ich aus dem Gebiete der Geburtshilfe 
und der Wochenbetterkrankungen leichtverständliche Abhandlungen bringen und 
dieselben durch interessante Fälle aus der eigenen Praxis beleuchten. Als 
früherer Hilfsarzt an einem großen Entbtndungsinstitut habe ich vielfach Ge 
legenheit gefunden, in dieser Beziehung Erfahrungen zu sammeln, aber 
ebenso vielfach sind mir auch Bedenken aufgestiegen über die Mängel, 
die der (allopathischen) arzneilichen Heilmethode wie überall, so auch hier 
anhaften. 
In unsern naturärztlichen Blättern hat dieses große Kapitel sich bis 
heute manche Zurücksetzung gefallen lassen müssen, und doch kann es meiner 
Ansicht nach für Frauen und Mütter kaum etwas geben, das ihr Interesse 
mehr zu fesseln vermöchte, wie der so tief in den gesamten Organismus des 
Weibes eingreifende Akt der Geburt. Die Gründe der Vernachlässigung in 
unsern Blättern sind so naheliegende, daß man sie nicht erst zu erwähnen 
brauchte. Die Geburtshilfe ist bis heute nur in den Händen approbierter 
Aerzte gewesen, die noch streng schulgemäß denken, „auf die Worte ihrer 
Meister schwören", — und diese Meister sind alle Vertreter des Medizin 
glaubens — und da, wo der Arzt nicht nötig war, trat die Hebamme ein, 
die gleichfalls mehr wie jeder andere auf die Schulmedizin schwört. Es ist 
deshalb an der Zeit, hier einmal den Hebel anzusetzen, naturgemäße Be 
trachtungen anzustellen und von unserem geläuterten Standpunkte aus alle 
einschlägigen Fragen zu beantworten, vorurteilslos, so wie man von licht 
voller Warte hin über ein weites Land blickt und es zu überschauen vermag. 
Wir wissen alle, wie oft geburtshilfliche Operationen, so z. B. das Holen des 
Kindes mit der Zange oder die Wendung dcsielben nötig sind. Die Aufgabe unserer 
Bestrebungen war es von jeher, die Zahl der operativen Eingriffe nach Mög 
lichkeit zu beschränken; geht doch Kühne in seinen Behauptungen sogar so weit, 
den Satz aufzustellen, daß jede Operation nicht nur unnötig, sondern sogar 
nachteilig sei. Ob er wohl dabei auch jener schweren Stunden gedacht hat, 
in denen unseren Frauen nur von der kundigen und geübten Hand des Arztes 
Hilfe gebracht werden kann? In seinem Buche, das ich fleißig studiert habe, 
steht darüber nichts. 
Ist es denn zu allen Zeiten so gewesen, daß die Frauen zu schwach 
waren, einen Vorgang, zu deffen Vollsührung sie die Natur bestimmt hatte, 
nicht allein beenden zu können? Ganz gewiß nicht. Das hieße die Weisheit 
der Schöpfung bezweifeln, die alles zweckvoll gefügt hat. Die Kultur und 
Ueberkultur hat uns manches Danaergeschenk gebracht, so auch dieses. Es ist 
die falsche Lebensweise, das Abweichen von den Regeln der Natur, das durch 
ganze Geschlechter hindurchgeht und schließlich in der allgemeinen Schwäche 
des Organismus zum Ausdruck kommt. Und je zahlreicher diese Verstöße sind, 
um so ernster werden die Gefahren werden, welche einen ganz naturgemäßen 
Vorgang mit der Zeit umgeben. Daher auch hier wie überall die Mahnung: 
Kehrt zur Einfachheit, kehrt zur Natur zurück, es ist der einzige Weg, die 
verlorene Gesundheit, die frühere strotzende Kraft wiederzugewinnen und sich 
dem Ideale zu nähern, das der erste Mensch war, als ihn Gott schuf. 
Freilich, einige kleine Opfer kostet cs, die eine oder andere Bequemlich 
keit des Lebens aufzugeben, dem Götzen Bauch etwas weniger zu fröhnen, durch 
tägliche Leibesübung sich zu stählen; aber der Lohn, der uns dafür winkt, ist 
so unvergleichlich hoch dieser selbstauferlegten Last gegenüber, daß keiner 
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