Volltext: Der Naturarzt 1891 (1891)

zu Grunde, oder tragen durch ihre mangelhafte Entwickelung oder Störungen die Zeichen 
der fehlerhaften Ernährung in den ersten Kindheitstagen zur Schau? 
Man hatte bis vor wenigen Jahren kein Ersatzmittel, welches für alle künstlich 
ernährten Kinder verdaulich war, sodass man mit einer gewissen Ruhe die Entwickelung 
des eigenen Kindes hätte abwarten können. Die bleiche Sorge thronte zu Häupten des 
kindlichen Lagers. Heute ist das anders. 
Mein Gesichtspunkt war der: die schwer verdauliche Kuhmilch, oder allgemeiner 
gesagt, Tiermilch leicht verdaulich zu machen, ohne dass man die Verdünnung derselben 
nötig hatte. Bei der gebräuchlichen Verdünnung mit drei und zwei Teilen hezw. einem 
Teile Wassers muss jedes Kind Not leiden und zum wenigsten eine mangelhafte Ent 
wickelung und eine Schwächung erfahren, sodass es physiologischen Vorgängen, wie das 
Zahnen oder Krankheitszuständen nicht genügend kräftig gegenübersteht. Das junge Rind, 
die junge Ziege trinkt die vollwertige Milch und baut sich mit derselben seinen Körper 
auf; das junge Menschenkind aber soll mit 1 | 8 - oder 2 | 3 -wertiger Milch dasselbe zu Stande 
bringen? Das ist unmöglich — und daher die Ernährungsstörungen. 
Ich habe gefunden, dass man aus dem Mandel-Ei weiss, Mandelöl, Zuckersäften 
und aus Gemüsepflanzen gewonnenen Nährsalzextrakt eine sogenannte vegetabile Milch 
herzustellen vermag, welche chemisch der Frauenmilch gleichwertig ist, und welche die 
Eigenschaft besitzt, die Tiermilch so zu verändern, dass das Gemisch den Charakter der 
Frauenmilch annimmt. Anstatt, dass das Kind bisher 1 Teil Tiermilch und 1—2 Teile 
Wasser erhielt, bekommt es jetzt 1 Teil Tiermilch und 1—2 Teile vegetabile Milch; 
also mit anderen Worten früher: ^ Teile Nährmaterial, jetzt 8 | 3 . 
Wohin man hört, werden die besten Erfolge bei der Verwendung der vegetabilen 
Milch berichtet, und ganz besonders, wenn auch die weiteren Vorschriften über die 
Kinderernährung, nämlich die frühzeitige Darreichung anderer leicht verdaulicher Nah 
rungsmittel, befolgt werden. 
Das junge Tier fängt schon sehr früh, schon nach wenigen Wochen, an, von der 
Nahrung der Alten mitzugeniessen, warum sollte dies nicht auch der Mensch? Auf alten 
Gemälden findet man häufig den mit Früchten spielenden Säugling; finden wir die Mutter, 
Trauben ausdrückend und den Saft dem Kinde reichend. Je mehr Abwechselung in der 
„Beinahrung“ besteht, um so sicherer kann man sein, dass einer, wegen einseitiger Fütte 
rung, mangelhaften stofflichen Zusammensetzung der Tiermilch und ihren Folgen für die 
Ernährung der Kinder entgegengearbeitet werde. 
Wie ich in Heft IV meiner „Physiatrischen Blätter“ (A. Zimmer’s Verlag in Stutt 
gart) betont, werden dem Säuglinge mit Vorteil vom vierten Monat ab Fruchtsäfte: 
Traubensaft, Apfelsinensaft, Backobstbrühe u. s. w. und vom sechsten Monat ab durch 
ein Haarsieb gerührte Wurzel- und Blattgemüse neben der Milch mahlzeitweise gereicht. 
Nun, man mache es nach, dann wird man bessere Ergebnisse bei der Aufziehung 
der Kinder haben als bisher. 
Ein weiteres Präparat ist der Nährsalz-Kakao. 
Es giebt Leute, die da sagen: „Wir brauchen überhaupt keinen Kakao!“ Diese 
Guten wollen aber bedenken, dass allein in Deutschland Unmassen von Kakaos verbraucht 
werden, indem der Kakao den Kaffee vielfach verdrängt und besonders auch als Getränk 
für ältere Kinder Verwendung findet. 
Wenn man nun erfährt, dass die gebräuchlichen Kakaos von unserem Standpunkte 
aus ungesund sind, weil ihre Löslichmachung durch reichlichen Zusatz von Soda, Pott 
asche, Magnesia u. s. w. erreicht ist, so wird man das Gute einsehen, wenn eine Fabrik 
wie Hewe & Veithenin Köln a. Rh., den Kakao ohne solche Beimischungen, an deren Stelle 
pflanzlichcNährsalze treten, in leichtester Weise löslich zu machen im Stande ist. Der bisherige 
Kakao ist vielfach gesundheitsschädlich, während der ans unsere Weise gewonnene wegen 
des Gehaltes an pflanzlichen Nährsalzen geradezu nützlich und leicht verdaulich ist: 
er widersteht nicht bei längerem Genusse, er wirkt nicht verstopfend, sondern die Darm 
thätigkeit anregend u. s. w. In erhöhtem Masse ist dies der Fall, wenn man den Nähr 
salz-Kakao mit der Nährsalz-Schokolade zusammenmischt, z. B. ! | 2 und ^2- Das Fett der 
Schokolade ist ja für die Ernährung recht nützlich, die Schokolade an sich süss; bei einer 
Vermengung von Kakao und Schokolade kann man aber ein stets gleichmässig 
schmeckendes Getränk erhalten. 
Leider leben wir in einem Zeitalter, wo wir zu solchen Kunst- und erkünstelten 
Mitteln unsere Zuflucht nehmen müssen. 
Wem es erscheinen sollte, als ob ich lediglich „pro domo“, des eigenen Vorteils 
wegen, spräche, der möge denn doch erst einen genaueren Versuch machen, bevor er sein 
Urteil fällt. Auch mir ist, wie so vielen aus unseren Reihen, die gute Sache allzeit über 
persönlichen Eigennutz gegangen. Ich habe über Verbesserungen nachgedacht und ver 
trete die durch allerlei Erfahrungen gewonnenen Ergebnisse. Wer will mir’s verargen?
	        
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