Volltext: Der Naturarzt 1889 (1889)

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in die Anstalt für immer auf jegliche Lebensfreude verzichten zu müssen glaubte, 
verließ dieselbe mit dem wohlthuenden Gefühle, welches wiedergewonnener Ge 
sundheit und der Ueberzeugung entspringt, allen seinen Pflichten in vollem 
Umfange gerecht werden zu können. 
Die übrigen Erkrankungsformen, wie namentlich solche des Nervensystems 
(vorwiegend allgemeine Nervenschwäche in Folge von Ueberarbeitung oder Ueber- 
reizung,) sowie diejenigen der Kreislaufs-Atmungs- und Verdauungs-Organe, 
boten reichliche Gelegenheit zu der Wahrnehmung, daß eine milde Wasserbe 
handlung verbunden mit reizloser, vorwiegend vegetarischer Kost, kunstgerechter 
Massage und zweckmäßiger Gymnastik in den weitaus häufigsten Fällen von 
bestem Erfolge gekrönt würde, besonders, wenn diese Heilmittel genügend 
lange in Anwendung gezogen werden konnten. Die durchschnittliche Behand 
lungsdauer betrug bei den als „Geheilt" Entlassenen 21 Tage, die längste 41, 
die kürzeste 8 Tage. 
Auf die während des Monats Februar in ärztlicher Behandlung befind 
lichen 36 Kranken verteilen sich der Häufigkeit nach geordnet: Störungen der 
Innervation, der Blutmischung, der weiblichen Sexual-Organe, der Kreislaufs-, 
Atmungs- und Verdauungswerkzeuge, der Gelenke und Knochen. — Fast alle 
Kranke, die einen mehr, die andern weniger, wurden durch den häufigen und 
jähen Wechsel im Barometerstand ungünstig beeinflußt. Die Bewegung im 
Freien war durch massenhafte Schneefälle immerhin etwas beeinträchtigt. Um 
so vorteilhafter machte sich die Geräumigkeit und die gleichmäßige Wärme 
innerhalb des ganzen Anstaltsgebäudes geltend, nicht minder die durch Neu 
beschaffung zweckmäßiger Apparate vermehrte Gelegenheit zu körperlichen 
Übungen. Besondere Erwähnung verdienen vielleicht folgende beiden Krank 
heitsfälle: 
1) Eine ältere Dame (in den Sechzigern) hat kurze Zeit vor ihrer Auf 
nahme in die Anstalt einen leichten Schlaganfall (Apoplexia cerebralis) 
erlitten und sucht Hilfe gegen zurückgebliebenen Schwäche- und Lähmungs 
Zustände. Schwächliche, abgemagerte Frau, mit allen Erscheinungen des 
Greisentums. Behinderter, schleppender Gang mit Neigung nach einer Seite 
und starkem Schwanken bei geschlossenen Augen. Kreislaufsstörungen mit 
unregelmäßigem, aussetzendem Pulsschlag, kalten, cyanotischen Händen und 
Füßen, Schlaflosigkeit, Benommenheit des Kopfes, Gedanken- und Gedächtnis 
schwäche, Trägheit des Stuhlgangs und Schwäche der Blase vervollständigen 
das Krankheitsbild. 
Der Kurplan setzt sich zusammen aus einer zweckentsprechenden Diät, 
(kräftige, reizlose, leicht verdauliche Kost) mit Hals-, Leib- und Bein-Massage, 
und aus anfänglichen Arm- und Wadenpackungen, sowie Leib- und Kopf- 
Umschlägen Nachts bei täglichen pneumatischen Bein-, später Rumpfbädern 
mit nachfolgendem lauen Halbbad und leichter Rückenbegießung; ferner der 
regelmäßigen Anwendung lauwarmer Klystiere. Nach drei Wochen ist der 
Gang wieder fest und sicher geworden, Schlaflosigkeit und Verdauungs- 
Störungen sind gewichen, die frühere geistige Frische und Regsamkeit zurück 
gekehrt und die Kranke verläßt nach sechswöchentlicher Kur an Leib und Seele 
neugekräftigt die Anstalt. 
Ein zweiter Fall betrifft eine jüngere Dame, welche sich in ihrem 
anstrengenden Berufe als Lehrerin geistig und körperlich überanstrengt hatte, 
derart, daß ihr gesammtes Nervenleben schwer darniederlag. Sie war kaum 
im Stande zu gehen, ihr Gemüt zeigte sich verdüstert, ihr Lebensmut schien 
tief gesunken, die Eßlust geschwunden, jedes Kraftgefühl und alles Selbst 
vertrauen verloren. Klagen über wechselnde Schmerzempfindungen in den 
verschiedensten Bezirken des Nervensystems, namentlich Kopfschmerz, Herzklopfen,
	        
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