Volltext: Der Naturarzt 1889 (1889)

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Das ist ein Mann! 
Wir können es uns nicht versagen, folgenden Bries zur Erbauung Aller wörtlich 
abzudrucken, unbekümmert, ob er auch manchem Undankbaren und Überzeugungslosen die 
Schamröte in's Gesicht treibt. Der Bundesvorstand hat selbstverständlich sofort Veranlassung 
genommen, diesem edlen Manne aus dem Volke unser Blatt weiter frei zuzustellen. Der 
Brief lautet: 
Hochgeehrter Herr! 
Soeben empfing ich die erste Nummer des Naturarzt. Es thut mir leid, daß ich 
versäumt habe, rechtzeitig beim Vereinsvorstande anzuzeigen, daß ich nicht länger 
Mitglied bleiben kann, so gern ich auch möchte; meine pekuniären Verhältnisse gestatten 
es nicht, und so sehr ich mich auch der guten Sache zu Dank verpflichtet suhle, so ist 
es mir gegenwärtig unmöglich, länger einen Beitrag zu zahlen. Aus vielerler Gründen 
muß ich meinen jetzigen Wohnort zum 1. April verlassen und denke mich in C. als 
Schneidermeister niederzulassen. Ob ich dort im Stande sein werde, ein Scherflein 
beizutragen zum Wähle meiner leidenden Mitmenschen, weiß ich heut noch nicht. 
Es ist jedoch mein fester Wille, dem Naturheilversahren, sowie dem Vegetarismus treu 
zu bleiben, und sobald es meine Verhältnisse nur einigermaßen gestatten, wieder 
Mitglied zu werden, denn wenn irgend jemand fühlt, daß er es einzig dieser neuen 
Lehre zu danken hat, daß sich sein körperliches und geistiges Wohlergehen gebessert» 
seitdem er sich den darin enthaltenden Grundsätzen untergeordnet, so bin ich es. Als 
ich mich vor 2 1 / 2 Jahren der neuen Lehre zuwandte, .litt ich öfteres an Halsentzündungen 
sowie Brustschmerzen, welche wohl mit meinem Hämorrhoidalleiden in Zusammenhang 
gestanden haben mochten, außerdem hatte ich schon seit langer Zeit beim Urinlassen 
ein leises Schneiden in der Harnröhre, und fast immer ließ der Urin einen weißen 
Kalk oder Schlemmkreide ähnlichen Satz zurück, daß es jedesmal aussah, als hätte ein 
Maler den weißen Pinsel ausgespritzt, wenn ich, wie das auf dem Lande zu geschehen 
pflegt, den Urin im Freien gelassen hatte. Meine Frau litt an heftigen Kopfschmerzen 
und Erbrechen derart, daß sie in der Woche 1—2 Tage das Bett hüten mußte, 
außerdem war sie mit einer juckenden Flechte auf beiden Unterarmen und Händen 
behaftet. Seit ihrer Kindheit hatte ihre Mutter wegen der Flechte viel gequacksalbert 
und auch des öfteren ärztliche Hülfe nachgesucht, doch alles umsonst. Unser jüngstes 
Kmd litt seit beinahe einem halben Jahre an einem skropholösen Ausschlag, und der 
Herr Mediziner verordnete Birkentheereinreibungen und baden mit Schaalseife. Unser 
Kind schrie, als ob es auf glühende Kohlen gelegt würde, und meine Frau und ich 
gerieten fast in Verzweiflung. So stand es mit meiner Familie vor 2 x / 2 Jahren. 
Trotz mancherlei Fehlgriffe, welche ich und meine Frau, namentlich im ersten Jahre 
begingen, steht es heut mit unserem Gesundheitszustand sehr gut. Seit fast einem 
halben Jahre fühle ich mich frei von jeder Krankheit, meine Frau ist von den vor 
benannten Krankheiten gänzlich geheilt, und unser skrophulöser Junge hat nur noch 
geringe Spuren an den Gelenkbeugen der Arme und Beine und ist so munter und 
beweglich, daß es uns überflüssig erscheint, ihn mit vielem Reiben und Packungen zu 
belästigen, bei seinem Springen und Klettern, Laufen und Tanzen besorgt er ein gut 
Theil allein. 
Würde ich das Zeug dazu haben, ich würde aus meinen Erfahrungen in unserer 
geschätzten Zeitschrift manches mitteilen können, was zu Gunsten der neuen Lehre 
spricht, denn ich wurde mit meiner Familie in der That noch in letzter Stunde vor 
dem körperlichen und geistigen Verfall bewahrt; und werde mich dieser Lehre und den 
Männern, welche dieselbe verfechten, dankbar erweisen wo und wie ich immer kann. 
Hochachtungsvoll 
Irr. WicHterr. 
NB. Infolge unserer Dürftigkeit konnte vieles nur mangelhaft ausgeführt werden. 
Würde ich die Mittel besitzen, so änderte ich meinen Beruf, ich würde bei irgend einem 
tüchtigen Naturheillehrer einen Kursus nehmen, und mich glücklich schätzen, wenn ich 
in einer Heilanstalt dem Beruf eines Krankenwärters vorstehen könnte. Herr H. Sperling, 
Berlin, welcher mir in den ersten Monaten brieflich Rat ertheilte, wird meine An 
gaben im wesentlichen bestätigen. Er rief mir damals zu: „Geduld! Es muß 
gelingen." Und es ist gelungen. Ich denke mit Entsetzen an meine damals fast 
hülflose Lage.
	        
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