Volltext: Der Naturarzt 1889 (1889)

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schwirrt mir ein Coupletvers der Leipziger Sänger von gestern Abend im Kopfe herum: „Wer 
Geld hat, kann einen Doktor haben; wer keins hat: der wird — später begraben!" Und 
ein Jesutteupater ließ mich einmal raten: „Welche Ähnlichkeit baben die Ätzte mit den 
Kartoffeln?" Antwort: „Beide haben ihre Früchte unter der Erde!" So etwas belacht 
man im Leben. Mir aber ist es darum blutiger Ernst geworden. Da traf ich vor 14 Tagen 
bei Dr. Schindler einen schlesischen Lehrer, der vielleicht unrettbar verloren ist. Er bekam 
vorigen Herbst (vielleicht in Folge von Biergenuß) heftige Kopsschmerzen und Kongestionen 
(Blutüberfüllungen). Die Ärzte ließen ihm Ader, fütterten ihn dann mit Eisenpillen, Brom, 
Chinin. Jod und anderem Teufels quarge, sadaß der junge kräftige Mann ein furchtbares 
Nervenleiden bekam. Er schläft nicht, kann kaum zehn Schritte gehn, die Füße sind kalt, 
die Hände fast tot, an Schreiben ist nicht zu denken, Teilnahmslosigkeit herrscht vor, 
unerträgliche Kopfschmerzen, (er bekam auch Eisumschläge!) peinigen ihn. Und hört, ihr 
Leser! Als ihn die Mediziner derart zugerichtet hatten, da hielten sie eine „Kaltwasserkur" 
für „unaufschiebbar!!" Ohne seinen Urlaub abwarten zu können, mußte er abreisen, sodaß 
ich bei memem Besuche in Dr. Schindlers Anstalt auf die Schreiben der Regierung und des 
Kreisschulinspektors Antwort geben mußte. Da will es der „große Unbekannte" des „Leip 
ziger Tgbl." noch „reckt bedauerlich" finden, wenn in neuester Zeit sich auch Lehrer 
beteiligen? O Mephisto! der Du aus diesem „Eingesandt" zu uns sprichst, Du weißt ja 
gar nicht, daß es die Lehrer zum Hauptteile sind, welche die Bewegung hervorgerufen 
haben und überall im Vordertreffen stehen. Ja, „bedauerlich" ist es — denn wenn die 
Presse sich sckeut, die Wahrheit zu predigen, so wird es die Schule thun — und das sitzt 
dann fest! Die alte „Tante Voß" in Berlin wundert sich in ihrer abfälligen Bespreckung 
des Jßleibffchen „Gesundheitskalenders" über dessen 9. Äuflage und kann sich nicht trösten 
über die bildliche Verspottung der „verdienstvollen, sich immer mehrenden Apotheken." O, 
liebe gute Tante — deine Tränklein und Salben kurieren uns nicht mehr. 
Wenn man auch jetzt in der Presse immer und immer nur in ekelhaftem Reclame- 
Tone von allen möglichen neuen Bazillen-Entdeckungen, wundersam beilwrrkenden Gesten, 
großartigen Brillant-Operationen (über den darauf erfolgten Tod kräht kein Hahn!) liest — 
es wird auch die Zeit kommen, wo man die Naturheilmethode der Druckerschwärze für 
würdig erachtet. Und diese der gesamten Menschheit notwendige Zeit wird um so eher 
hereinbrechen, je mehr jeder Einzelne von uns seine Pflicht und Schuldigkeit thut; nämlich: 
nicht ein Nikodemus zu sein, sondern mit paulinischer Beredsamkeit dem Volke das Heil zu 
lehren an allen Orten und zu allen Stunden. 
Vermischtes. 
Im Jahresbericht des Wiesbadener Vereins für volksverständliche Gesundheitspflege 
bekämpft Herr W. A. Seeurius den Deutsch-Druck des „Naturarzt" u. a. aus gesund 
heitlichen Gründen. Die Deutschen sollen „vorherrschend dadurch zu Trägern von Augen 
gläsern benachteiligt" sein. Auch ich bin Auhäuger der ausschließlichen Anwendung von 
Lateinschrift, besonders deshalb, weil sich daraus für unsere Schulen eine ganz bedeutende 
Entlastung ergeben würde, die man anderen Unterrichtsgegenständen (Gesundheilslehre 
und körperlichen Übungen) zu Gute kommen lassen könnte. Dagegen ist die Schädlichkeit 
der deutschen Schrift nach keiner Seite hin erwiesen. Die Behauptung Javals z. B., 
daß sich wegen der Anwendung der deutschen Schrift in Elsaß-Lothringen seit der Besitznahme 
mehr Kurzsichtige fänden als früher, dürfte man wohl ohne weiteres als Übertreibung aner 
kennen. Auch der in dem angezogenen Jahresbericht mitgeteilte Fall, wonach ein augen 
schwacher deutscher Setzer nach London verzogen und dort trotz des bedeutend kleineren 
englischen Druckes an Sehkraft gewonnen habe, beweist nichts, da Hier ganz andere Fragen 
eine Rolle gespielt haben können und werden. Als seinerzeit der Verein für Lateinsch rift 
gegründet wurde, enthielt der Satzungenentwurf u. a. denselben gesundheitlichen Vorwurf gegen 
die Deutsche Schrift. Der bekannte Breslauer Augenarzt und Statistiker Prof. Dr. H. Co.hn 
teilte dem Comite mit, daß er dem.Vereine nicht Bettreten könne, wenn der betreffende Satz 
nich falle, da derselbe eine durchaus unerwiesene Behauptung darstelle. Derselbe Arzt 
at in seinem verdienstvollen Werke „Die Hygiene des Auges" dem Gegenstände ein 
besonderes Kapitel gewidmet und kommt dabei zu dem Schluffe, „daß m der ganzen civilisierten 
Welt die Zahl der Kurzsichtigen mit den Ansorderun gen wächst, welch e die Schule stellt." 
W. Siegert.
	        
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