Volltext: Der Naturarzt 1889 (1889)

89 
veröffentlicht H. Schulz Studien über die Wirkungen des Chinins beim 
gesunden Menschen. H. Schulz ist, wenn wir nicht irren, Professor der 
Medicin in Greifswald. Er hat sich von uns Gegnern der Vivisektion die 
Ansicht angeeignet, daß der Thier-Versuch keine zuverläsiigen Ergebnisse 
liefere. Mit kleinen Gaben Chinin (Chinin muriat 0,005—0,01—0,02 pro die, 
0,22- 0,58 in toto) hat er am zehn gesunden ältern Studierenden der 4 
Medicin versucht. „Durch Darreichung kleiner Dosen sollte nicht blos 
die schnelle Ausscheidung des Alkaloids und der Reiz auf die Harnwerkzeuge 
vermieden, sondern auch die allmäliche Entwicklung der einzelnen Veränderungen, 
wie sie nach Aufnahme einer größer» Chinindosis in ihrer Gesammtheit sich 
zeigten und mit dem Ausdruck ,,Chinin-Rausch" bezeichnet wurden, erzielt werden." 
Das Ergebnis war: 1. Mit Bezug auf das centrale Nervensystem: 
Druckgcfühl und Schwere im Kopf. Depression (Niedergeschlagenheit), Unlust 
zu jiber Thätigkeit, melancholische Stimmung. Aufregungszustände, 
Störung der Nacktruhe, Angstansälle. 2. Augen und Ohren: 
Flimmern vor den Augen, Dick- und Scbwerwerden der Augenlider, 
Injektion (Blutüberfüllung) der Cojunklival-(Bindrhaut-)Gefäße, gedunsenes 
Aussehen des Gesichts. — Ohrensausen, dagegen kein Klingen und 
Läuten in den Ohren. 3. Nervus trigeminns (ein sehr wichtiger weitverzweigter 
Gehirnnerv, Neuralgieen (Nervenschmerzen); 4. Haut: Nur in zwei 
Fällen starkes Jucken; 5. Magen und Darm: Fast ausnahmslos leichte 
Reizsymptome, welche sich bis zu Magendarmkatarrh steigerten. 6. Uro 
genital (Harn- und Gescblechts-) Apparat: entweder eine Verminderung oder 
Vermehrung des Bedürfnisses zur Harnausscheidung; 7. Körpertemperatur: 
Keinerlei Schwankungen. Dagegen in sechs Fällen Steigerung der Herzthätigkeit. 
Nun meint man, der Herr Professor habe mit den Ergebnissen, welche 
die unzweifelhaft giftigen und krankmachenden Wirkungen dieses in 
Millionen von Krankheitsfällen zur Anwendung kommenden Arzneimittels 
unzweideutig klar stellen, zufrieden sein müssen und seine Verdammung über 
die Anwendung desselben ruhig aussprechen können. Aber weit gefehlt! 
Der Herr Professor findet aus verschiedenen Gründen sein Versuchsmaterial, 
die alten Studierenden der Medicin, nicht zuverlässig genug. Sie lebten 
unregelmäßig, auch, wenn sie das Versprechen gegeben, keine Ausschweifungen in 
Baccho zu begehen, sie neigten, mit den Wirkungen des Chinins vertraut und zu 
Hypockondrie neigend (Hört!), dazu, mancherlei in sich hinein zu beob 
achten! Erwünscht die Wahl eines „stabilen Materials, welches gleichzeitig 
einer scharfen objektiven Controlle unterliegen kann" und denkt dabei 
— — an die Zöglinge von Pensionaten, Waisenhäusern, Kadetten 
anstalten u. s. w. 
Also soweit wären wir! die armen hülflosen Waisen, die Kinder der 
Pensionate und die künftige Blüte der Armee, die Söhne von verdienten 
Offizieren und Beamten, die Verteidiger des Vaterlandes, sind für einen 
Professor gut genug als einfaches Versuchsmaterial für giftige Medikamente! 
Wer erkennt da nicht die schon fürchterlichere Frucht des furchtbaren 
Impf - Versuchs, dem jetzt die ganze Nation schon unterworfen ist? Quo 
usque tandem? 
Wir könnten es für heute genug sein lassen an diesen drei Blüten des 
Medicinismus, der an der Hand der Ansteckungslehre und der allein 
seligmachenden Medikamente nichts mehr und nichts weniger, als die 
volle Herrschaft über den Staatsbürger im Staate und sogar die 
internationale Herrschaft über die Staaten anstrebt, namentlich um die
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.