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Ich meine: unter Gesinnungsgenossen sollte im Wortkampfe nicht Mordlust durch
blicken, sondern eine ruhige Waffenführung zu gewahren sein. Diesem Grundsätze wird
der „Naturarzt", der nach wie vor Wacht gegen alle Feinde halten wird, unter meiner
Leitung treu bleiben.
Was unsere großen Vorkämpfer Munde, Rausse, Hahn re. betrifft — so ahmen wir
doch lieber ihre erhabenen Charakterseiten nach, nicht den Ton, in den sie mitunter verfielen,
und worin sie gar zu „sterblich" waren. Heiliger Ernst, mannhafte Unerschrockenheit und
ruhige, sachliche Belehrung wirken und nützen mehr, als Pollerton und wütige Gebärde.
Möchte diese Angelegenheit hiermit erledigt sein, denn der knappe Raum des „Natur
arzt" kann und darf zu ferneren Zänkereien nicht vergeudet werden. Nur im zwingendsten
Notfälle würden wir nochmals „anbeißen".
Dies unsere flüchtigen, persönlichen Ansichten vor Schluß der Nummer.
Aus den Naturheilanstalten.
Berliner Naturheilanstalt.
Der „Natur- und Volksarzt" bringt in seiner letzten Nummer eine Anklage gegen
unsere Anstalt, hervorgehend aus einer Antwort des Herrn Dr. Siebert gelegentlich seines
in Zeulenroda erfolgten naturärztlichen Examens.
Herr Dr. S. beantwortete nach obiger Zeitschrift eine an ihn gerichtete Frage, die
Verabreichung von Alkohol in Krankheitsfällen betreffend dahin:
„Ich wüßte nicht, warum Vaseline und Alcohol nicht im Einklang stehen sollten
„mit dem Naturheilverfahren. In der Berliner Naturheilanstalt wurde vielfach
„Vaseline äußerlich und auch Alcohol innerlich angewendet."
Hierauf haben wir zu erwiedern, daß Vaseline nur bei unseren Wärtern
und Wärterinnen beim Massieren zur Geschmeidigmachung ihrer eigenen
Finger in Anwendung kommt, Alcohol aber nie verabreicht wurde.
Hermann Canitz.
Naturheilanstalt Albertsbad in Hilbers-orf bei Chemnitz, Besitzer Sanitätsrat vi. Meyner.
Hierdurch erlaube ich mir, Ihnen zum ersten Male auch aus unserer Anstalt für die
Rubrik „Aus den Narurheilanstalten" im Naturarzt einige Zeilen einzusenden:
Da der Besuch unserer Anstalt in den letzten Jahren, trotz mächtiger Konkurrenz,
beständig zugenommen hat, so zwar, daß wir mehrere Male während längerer Zeit — sogar
irrt Winter — einen Teil der Familienzimmer, Schreibstube rc. räumen mußten, um alle
Gäste aufnehmen zu können, die schon Wochen lang auf Platz gewartet halten, so haben
wir nunmehr eine an das Albertsbad stoßende Villa — vorläufig mietweise — erworben und
werden künftig in der Lage sein, allen Ansprüchen, besonders auch auf große herrschaftliche
sowie kleinere Zimmer für je eine Person, entsprechen zu können.
Auf diese Weise werden auch verschiedene andere, bequem gelegene, bisher manchmal
vermißte Räume gewonnen (Speise- und Gesellschaftszimmer zu ebener Erde re., ein zweiter
Garten zu dem alten u. s. w.) Die Eimichtungsarbeiten dürften im März 1890 beendigt
werden, so daß das neu erworbene Gebäude spätestens Anfang April zur Aufnahme von
Gästen bereit sein wird.
In Bezug auf die Erfolge der Kuren dieses Jahres ist erfreulicherweise zu berichten,
daß sie in den meisten Fällen von schönstem Erfolg gekrönt waren, weil die Kranken sich
die nötige Zeit dazu nahmen. Was kann man auch gerechterweise erwarten, wenn man von
vornherein sagt: „Ich habe nur 14 Tage oder 3 Wochen Zeit." Trotzdem wurden einige
Fälle (namentlich zwei Fälle eiternder Venenentzündungen, drei Fälle verschiedener
Magenleiden) in zwei bis vier Wochen, ein schwerer Fall von Hodenentzündung, die nach
einer Woche zum Eitern kam, in fünf Wochen, neun Fälle verschiedener Nervenleiden in
vier bis acht Wochen, chronischer Rheumatismus, Flechten und andere Blutkrank
heiten in der gleichen Zeit geheilt, Frauenkrankheiten (Verfall, Knickung, Verlagerungen,
Unregelmäßigkeiten, hysterische Krämpfe) in sechs bis 14 Wochen; ein Fall von Lupus heilte
vollständig nach beendigter Kur (drei Monate), auch in ein paar Fällen von Epilepsie
und Rückenw arksleiden wurden schöne Erfolge erzielt. Freilich sollten Kranke dieser
Art immer auf lange dauernde Kuren rechnen, weil hier alle anderen Heilmethoden nicht
blos (wie jn vielen anderen Krankheiten auch) eingestandenermaßen ganz ohnmächtig sind,
sondern ein zweckmäßig und mild angewandtes Naturheilverfahren in vielen ganz
hoffnungslos scheinenden Fällen entweder gänzliche Heilung oder wenigstens eine so bedeutende
Besserung zu erzielen vermag, daß die Kranken wieder im Stande sind, ihre Geschäfte zu
verrichten. Der in unserer Anstalt aufgestellte pneumatische Apparat bewährte sich wiederum
glänzend, vermöge der tiefgreifenden Wirkung komprimierter und verdünnter Luft zunächst
auf die Atmungsorgane, sodann auf den Blutkreislauf, Leber-, Magen- und Nierenthätigkeit