Volltext: Der Naturarzt 1889 (1889)

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gangeneu jungen Arzte gelungen sei, sich von jenem Geiste der Medizin zu be 
freien und in den ganz andersartigen Geist der Naturheilkunde, den das Nie- 
meyer'sche „Heilkräfte, nicht Heilsäfte" wohl am treffendsten kennzeichnet, 
Einzudringen, das wird zunächst zu beurteilen sein. Was er auf der Universität 
gehört, ist für die praktische Naturheilkunde unendlich viel weniger von 
Belang, als ob er die in dem Gehörten vorhandenen vielen dicken Irrtümer richtig 
erkannt und was er praktisch von ältern und erfahrenen Naturärzten 
gelernt. Es wirkt aber nicht gerade gewinnend oder überzeugend, wenn ein 
junger Arzt in den wichtigsten Principienfragen, z. B. ob vegetarische oder 
gemischte Kost, beständig hin- und herpcndelt, wenn er sich auf Grund von 
wahrscheinlich eigenen schwachen Verdauungswerkzeugen und höchst geringfügigen, 
sicherlich ebenfalls an kränklichen Personen gemachten Erfahrungen gegen das 
von Millionen als Grundlage jeder richtigen Ernährungsweise erkannte und 
erprobte Ganz- oder Schrotbrot ausspricht, wenn er die medicinischer- 
seits aus Gründen, welche wesentlich der Schwäche dieser Heilmethode ent 
stammen, so sehr betonte „Diagnose" auch für die ganz anders verfah 
rende und einer solchen scharfen Diagnose gar nicht bedürftige 
„Naturheilmethode" in den Vordergrund zu rücken sucht, und sich schon, 
während er erst anfängt, Erfahrungen zu sammeln, als „Führer der das 
Naturheilverfahren vertretenden Aerzte" aufspielt!!! Den „Führer" 
sehen wir wohl, allein, wo ist das Gefolge? Die Naturärzte danken für 
die Gefolgschaft und die etwa gemeinten Mediziner sehen wir auch 
eigene Wege einschlagen. Jedenfalls dürfte auf die Führerschaft der 
Mediziner im hygieinischen Sinne der schon durch seine älteren „ärzt 
lichen Sprechstunden" und neuerlich seine „Hygieia" um die Aufklärung 
in allen gesundheitlichen Dingen hochverdiente Sanitätsrat Dr. Niemeyer*) ganz 
andere Verdienste haben, als ein so junger Arzt, bei dessen öffentlichen Be 
lehrungen man gar zu sehr an das Wort erinnert wird: „Was sie erst 
gestern gelernt, wollen sie heute schon lehren!" „Irren ist mensch 
lich", und daß auch ein erfahrener älterer Naturarzt einmal irren kann, ist 
gewiß, aber schwerlich wird er aus wiffenschaftlichem Dünkel und Rechthaberei 
in seinem Irrtum verharren. Von jenen Pseudonaturärzten, die sich, mit 
höchst mangelhaftem Wissen und ebenso mangelhaftem Denkvermögen aus 
gerüstet, lediglich zur Fristung ihres Lebens an die Rockschöße der Naturheil 
kunde hängen, sollten wir uns durch eine scharfe und unnachsichtige Kritik 
ihres Treibens selbst befreien, denn würden auch die Vorurteile, wie sie hier 
und da sich dann auf alle nicht mit dem Doktortitel gezierte Naturärzte ganz 
ungerechtfertigter Weise übertragen, immer mehr schwinden. 
Im Allgemeinenaber befindet sich die Entwicklung derNaturheilmethode, 
Dank dem gesunden Sinne und dem denkenden Streben ihrer Anhänger, auf 
guten und richtigen Wegen: sie entnimmt ihre Theorien wesentlich ihren 
praktischen Erfahrungen und benutzt die am Studirtische com- 
ponierte oder einer ganz andersartigen Heilkunst entstammende 
Kathederwissenschaft nur mit großer Vorsicht. 
Den Versuch, mit dieser letzlern zu imponieren, würden sich die betreffenden 
Herren besser ersparen. Er erregt nur den Verdacht, daß man wissenschaft 
lichen Nebel über sehr einfache und klare Dinge verbreiten will, um sich selbst 
ein Ansehen zu geben und weit erfahrenere und bewährte Praktiker in den 
Schatten zu stellen. 
f) Der treffliche Mann hat den einen großen Fehler, daß er gegen alles „Natur 
ärztliche" grundsätzlich zu Felde zieht. Unsere Nr. 12 wird auf seine neueste „Hhgieia" 
antworten. D. Red.
	        
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