Volltext: Der Naturarzt 1889 (1889)

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Leit zwischen 40-60 Jahren, von jüngeren mit dem Diabcties behafteten 
Patienten finden wir mehr weibliche, von älteren mehr männliche vor. Eine 
Erblichkeit ist nur insofern anzunehmen, als Eltern und Kinder unter denselben 
Verhältnissen leben, also auch von denselben Verdauungsstörungen befallen 
werden können. Als gelegentliche Ursachen werden Nervenleiden, besonders 
Erkrankungen im Gebiete der vierten Gehirnkammer, Kummer, Sorgen, geistige 
Anstrengungen, Erkältungen und geschlechtliche Ausschweifungen angegeben. 
Was die Symptome und den Verlauf dieses Leidens angeht, so haben 
wir schon das Wichtigste vorweggenommen, nämlich das nachweisbare Auftreten 
von Zucker im Harn. Die Menge des Harns selbst ist in der Mehrzahl der 
Fälle beträchtlich erhöht (Polyurie) und es kommt keineswegs selten vor, daß 
innerhalb 24 Stunden statt der normalen 1500 ccm. (ca. 1 Vs Liter), 5000 bis 
10000 ccm. (5—10 Liter) entleert werden. 
Durch den großen Wasserverlust vermittels der vermehrten Harnmenge 
stellt sich recht bald ein vermehrtes Wasserbedürfnis, ein ungeheurer Durst bei 
Diabetikern ein, zumal auch der Zucker zu seiner Lösung großer Waffermengen 
bedarf. Der Harn der Diabetiker, der meist blaß bis grünlich schillernd aus 
sieht, weist ein hohes specifisches Gewicht auf, in leichteren Graden 1020—1030 
(das specifische Gewicht des normalen Harns ist im Durchschnitt 1015), in 
schwereren 1030—1050 und darüber hinaus. Das specifische Gewicht ist mit 
dem Urometer leicht abzusehen. Der Geruch des diabetischen Harns ist gleich 
falls characteristisch und gleicht etwa (Geruchsempfindungen lassen sich schwer 
schildern) dem Gerüche von faulendem, sich zersetzendem Obste. Zum Nachweise 
des Zuckers im Harne existiren die verschiedensten Methoden, auf die wir hier 
allerdings nicht näher eingehen können. Der quälende Durst, von dem ich vorhin 
sprach, peinigt die Unglücklichen Tag und Nacht, und die Wassermengen, die 
zur Stillung in den Körper gebracht werden, sind ganz enorm. Ich hatte eine 
Patientin, die es bis zu 40 Wasserglas täglich brachte, jedoch geben andere 
Autoren noch größere Mengen an. Wenn nun auch der Durst gelöscht ist, so 
plagt den Diabetiker noch fortwährend Trockenheit im Munde und Gaumen, 
sowie häufig ein süßlicher und pappiger Geschmack. Die Zähne werden un 
geheuer rasch cariös (durch Entzündung hohl) und fallen oft ganz plötzlich, 
selbst wenn sie nicht angefresien waren, aus. Ich möchte noch als eine meiner 
Beobachtungen hinzufügen, (ich fand diese Angabe bisher in keinem Werke 
über Diabeties), daß es gerade die Schneidezähne des Unterkiefers sind, welche 
ausfallen oder schlecht werden, während diese sonst doch gerade am dauerhaftesten 
sinst, wenigstens viel weniger erkranken, als die Schneidezähne des Oberkiefers. 
Die Haut der Diabetiker wird vollkommen trocken, weil die Schweiß 
absonderung aufhört, ganz ähnlich wie bei Fettsüchtigen. Wie aber bei 
Letzteren ab und zu ausgiebige Schweiße auftreten, so auch beim Zuckerkranken; 
sogar der Schweiß der Diabetiker ist zuckerhaltig. 
Auch die Lunge giebt beim Zuckerkranken nur wenig Wasser ab, dafür 
desto mehr Kohlensäure. 
Im Anschlüsse an Diabete» mellitus zeigt sich sehr oft der Zuckerstaar 
der Augenlinse, wahrscheinlich dadurch, daß der abnorm hohe Zuckergehalt der 
die Linse nährenden Flüssigkeit, die Ernährung beeinträchtigt. 
Ein häufiges, jedoch nicht ständiges Symptom des Diabetes ist der oft 
unstillbare Heißhunger, der wahrscheinlich nichts Anderes bedeutet, als eine 
nervöse Dyspepsie (nervöse Magenverstimmung), indem durch zuckerreiches Blut 
diejenigen Nerven, welche uns das Hungergefühl vermitteln, angegriffen werden. 
Jedenfalls entspricht die übergroße Menge der eingeführten Nahrung keines 
wegs einem natürlichen Bedürfnis, und die Nachgiebigkeit nach dieser Rücksicht
	        
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