Volltext: Der Naturarzt 1889 (1889)

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Dr. P° in Kreischa b. Dresden antwortet auf eine Anfrage bezüglich des 
Pfarrers Kneipp (unseres bekannten Gesinnungsgenossen in Wörrishofen in Bayern, 
Verfasser des vortrefflichen Buches: „Meine Wasserkur, durch mehr als 20 Jahre erprobt") 
u. a.: „Es ist zu bedauern, daß der gänzliche Mangel an hydrotherapeutischen 
Kenntnissen und die Vernachlässigung der einfachsten technischen Handgriffe 
bei der Anwendung des Wassers, und zwar nicht nur bei akuten, sondern auch bei chronischen 
Erkrankungen, unsere Patienten den Kurpfuschern in die Hände treiben muß. Wenn irgendwo 
sollte es da heißen: Was der Laie kann, muß der Arzt auch können. Aber leider, die 
Sache ist etwas schwierig und unbequemer als eine Ordination aus der 
Apotheke." 
W. L., Arzt in O. antwortet auf dieselbe Frage: „Zu diesem „gewissen" Pfarrer 
pilgern nun schon seit vielen Jahren in stets zunehmendem Maße nicht blos katholische Geist 
liche jeder Nangabstufung und kirchliche und weltliche Fürsten, sondern auch akademisch 
gebildete Männer jeden Berufes, Männer und Frauen jeden Standes und ans aller Herren 
Länder." „Und wenn dieser Pfarrer von Männern wie von Ziemßen, München, empfohlen 
wird, so muß doch an der Sache etwas der ernsten Prüfung Wertes sein." 
„Stählung des Körpers und Rückkehr zu einfacheren Lebensweisen — so kaun man alle 
Maßnahmen Kneipps zusammenfassen. Und man wird zugeben müssen, daß wir manchmal 
besser fahren würden, wenn wir einfache Melodien spielende Walzen in den Leierkasten 
unseres Lebens einfügten." „Man lese den nächstbesten Artikel irgend einer medizinischen 
Zeitschrift, und es wird einem vor lauter Ordination von autoritativen und andern Geistern 
ganz „„fiebrig und schabab."" Man lese Kneipps Buch, und jeder, der es ohne Voreingenommen 
heit zur Hand nimmt, wird einen wohlthuenden erfrischenden Hauch verspüren, welcher her 
rührt von der Ursprünglichkeit der Persönlichkeit, die zu uns redet, von der geradezu 
verblüffenden Einfachheit der Vorschriften, während wir nachgerade alles 
„„mit Hebeln und Stangen"" unserem Leibe abzwingen wollen Man denke nur 
an die neuesten Schwindsuchtsheilmethoden), von den schlichten, aber tiefste Überzeugung 
atmenden Worten, mit denen der Verfasser das, was er an sich selbst und andern erlebt 
und erfahren hat, uns wiedergiebt." „Ein Gefühl der Beschämung beschleicht den 
Arzt, wenn er in Wörrishofen von Dutzenden den gebildeten Ständen ungehörigen 
Kranken hört, daß sie wegen Erscheinungen, von denen sie hier Befreiung 
und Erleichterung gefunden, Monate lang die sogenannten ersten Ärzte um 
teures Geld zu Rate gezogen hatten, daß sie Wochen lang in Wasserheilanstalten 
sich hätten quälen und martern lassen, ohne einer Besserung teilhaftig zu werden." ,,Gar 
mancher der vielen an Schlaflosigkeit Leidenden, welcher umsonst oder gar zu seinem Schaden 
Morphium, Sulfonal, Paraldehyd oder ein anderes Narkotikum gebraucht hat, hat auf ein 
kurzes Sitzbad oder eine Wickelung einen klotzähnlichen Schlaf bekommen." „Wasser allein 
thuts freilich nicht, aber noch weniger große Gaben von Alkohol, selbst wenn er in Form von Wein 
verabreicht wird. Die Geschichte der Medizin wird letztere Richtung einmal als eine traurige 
Verirrung unserer Heilwissenschaft kennzeichnen." „Das Neue des Guten, das uns 
Kneipp bietet, sollten wir Aerzte ergreifenund weiter daran bauen, das Brauch 
bare vom Minderwertigen sondernd." „Man handle nach dem Grundsätze: Prüfet 
alles und das Beste behaltet — das sind wir dem Wohle unserer Kranken 
schuldig."^ 
In einem Artikel von vr. B. Meißner in Chemnitz, „Polikliniken und Krankenkassen" 
überschrieben, finden sich folgende Sätze: „Die Heilwissenschaft ist der kranken Menschen wegen 
geschaffen, nicht aber ist sie blos dazu da, der Eitelkeit des Arztes zu fröhnen, indem sie chm 
die zusammengesetztesten und kostspieligsten Werkzeuge für sein tägliches ärztliches Handeln 
liefert." „Es macht auf mich den Eindruck, als suche der Arzt hinter diesem großen Heil- 
wittelschatz dem Pnblikum oft nur seine eigene Ohnmacht, Krankheiten wirksam zu bekämpfen, 
zu verbergen." „So mancher Arzt steckt noch recht tief im Arzneiaberglauben drin, jegliche 
Krankheit ist ihm gut dazu, um an ihr die Wirkung der schier unzähligen Arzneistoffe zu 
prüfen; überall sucht er eine Heilkraft der Medikamente heraus, während er doch wissen sollte, 
daß so manche Arzneistoffe entweder völlig überflüssig, oder sogar geeignet sind, schädliche 
Wirkungen hervorzurufen. Wenn dann keine Besserung, sondern sogar noch Arzneikrankheilen 
auftreten, soll das das Ansehen unseres Standes bei den Leuten heben?" „Wir Aerzte 
schaffen uns selbst unsre Widersacher, indem wir so einseitig handeln." „Der 
Boden für die,Zulassung sogenannter Naturheilkundiger zu Krankenkassen ist durch das thörichte 
Handeln der Ärzte selber verbreitet werden." „Von den Universitäten selber muß eine Reform 
ausgehen, um einen Unterrichtsplan für die angehenden Ärzte zu schaffen, der mehr den 
Bedürfnissen der Gegenwart entspricht." Die ärztliche Schule muß davon ausgehen, 
die einfachsten Mittel zu ergründen und zu bmutzen, die geeignet sind, Krankheiten 
zu verhüten oder zu heilen; weniger als bisher muß sie darauf Gewicht legen, 
Laß diese Heilmittel Arzneistoffe sind oder blutige und verstümmelnde
	        
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