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gende Kost: Milch, Fleisch, Eier, Brühe und Wein zur Stärkung. Der Zu
stand erlitt eine fortschreitende Verschlimmerung und empfahl der Arzt als-
letztes Hilfsmittel die Vornahme der künstlichen Frühgeburt.
Der Ehemann, welcher davon Kunde erhielt, daß ich das Naturheilver
fahren anwende, und der auch die genannte Operation zu umgehen wünschte,,
veranlaßte mich, nach Sp. zu kommen, wo ich zum ersten Mal am 20. Mai
eintraf. Frau D. bot ein wachsbleiches Aussehen dar, das Gesicht war ge
dunsen. Die Beine waren um mehr als das Doppelte ihres natürlichen Um
fanges angeschwollen.
In der Kreuzbeingegend war ebenfalls eine teigige Schwellung bemerkbar-
und strahlten hierhin auch heftige Schmerzen aus.
Ferner bestand noch Bauchwassersucht; die venösen Gefäße des Unterleibs-
waren beträchtlich gefüllt und erweitert und boten das Aussehen förmlicher
Krampfadern dar. Der Urin war eiweißhaltig. Meine Verordnungen lauteten
wie folgt:
1) 3 l i Packungen mit Wasser von 25 0 E. und Bettdampfbad zur Anre- »
gung der Schweißabsonderung.
2) Kreuzpackungen, um auf die Nierenthätigkeit zu wirken.
3) Dampfkompreffen in der Kreuzbeingegend zur Milderung der Kreuz
schmerzen.
4) Vegetarische Kost und Verbot von Fleisch, Brühe, Eier, um weitere
Eiweißzufuhr zu verhindern.
Bereits nach acht Tagen, als ich zum zweiten Mal nach Sp. fuhr, konnte
ich eine erhebliche Besserung konstatiren.
Die von mir beschriebenen Schwellungen der venösen Gefäße des Unter
leibs waren verschwunden. Die Nierenthätigkeit war eine lebhaftere, außer
dem hatte sich auch die Wassermenge in den Beinen verringert. Am 10. Juni
erfolgte die Geburt eines Mädchens leicht und ohne Kunsthilfe.
Die Krankheitserscheinungen, welche kurz nach der Entbindung zurückzu
gehen schienen, traten etwa 8 Tage darauf von Neuem ein.
Trotzdem ich bei meiner nur zweimaligen Anwesenheit in Spr. den oben
geschilderten günstigen Kurerfolg erzielte, begab sich Frau D. wiederum in Be
handlung des zuerst consultirten Arztes. Es wurden von demselben die ver
schiedenen schulgemäßen Arzneimittel zur Anregung der Nierenthätigkeit ange
wandt (Wildunger Wasser, essigsaures Kali, Digitalis sFingerhutblätters). Auch
Pilocarpin wurde injicirt zur Anregung der Schweißthätigkeit. Sofort trat
hiernach Erbrechen auf. Außerdem stellte sich noch eine heftige Venenentzün
dung der linken Oberschenkelgegend ein, gegen welche graue Salbe angewandt
wurde.
Der Sp. Arzt erklärte nunmehr den Zustand für hoffnungslos.
Nachdem so alle allopathischen Mittel erschöpft waren, wandte sich die
Patientin dem Naturheilverfahren, welchem sie anfangs mit Vorurteil gegen
überstand, auf welches sie aber jetzt ihre letzte Hoffnung setzte, wieder zu.
Am 29. Juni traf ich wieder in Sp. ein.
Die Verdauung und der gesamte Kräftezustand lagen darnieder. Puls
zahl über 100, Urin stark eiweißhaltig.
Ich verordnete Dr. Lahmann's Nährsalz-Cacao, da andere Speisen nicht
vertragen wurden. Außerdem bestand ich auf Ausschluß sämtlicher Arzneien.
Von Packungen nahm ich vor der Hand mit Rücksicht auf die gesunkenen Kräfte
Abstand.
Nur ließ ich gegen die Venenentzündung, welche mit bedeutender Hitze
einherging, eine kühlende Prießnitzffche Obcrschenkeleinwickelung machen.