Volltext: Der Naturarzt 1889 (1889)

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Aus den Naturheilanstalten. 
Bericht aus der Stiftung „von Zimmermann'sche Naturheilanstalt". 
Zu den am 30. April in der Anstalt anwesenden Kurgästen kamen im Laufe der 
Monate Mai und Juni 72 hinzu, sodaß während dieser Zeit insgesamt 100 Patienten in 
Behandlung gestanden haben. 
Der Heilapparat verstärkte sich in dieser Zeit durch das Luft- und Sonnenbads 
welches, im Garten der Anstalt gelegen, neuerdings durch zweckmäßige Verbesserungen noch 
vervollkommt worden^ist. Auf die intensiven und mannigfachen Wirkungen eines rechtzeitig 
und am rechten Orte verordneten Sonnenbades braucht hier wohl nicht besonders aufmerksam 
gemacht zu werden, dennoch mögen folgende Beobachtungen Platz finden: 
1) Bei bleichsüchtigen Patienten regelten Sonnenbäder in prompter Weise den vor 
her mangelhaften und verlangsamten Stuhlgang, während die zuvor eingeleitete Bauchmassage 
nicht die gewünschte Wirkung hatte. 
2) Bei neuralgischen Affektionen verschwanden, bezw. verringerten sich die 
Schmerzen unmittelbar in oder nach dem Sonnenbade, ebenso bei rheumatischen Gelenk 
leiden. 
3) Bei specifischer Säfteverderbnis schieden sich sofort nach den ersten Sonnen 
bädern die Krankheilsstoffe durch massenhafte Eruptionen auf der Haut aus; in einem Falle 
stellte sich sogar gleich nach dem ersten Sonnenbade eine intensive Roseola über den ganzen 
Körper ein, während in der Folge die andern Localisationen der Krankheit (z. B. auf der 
Rachenschleimhaut) rasch zurückgingen. 
Nachstehende beiden Krankengeschichten dürsten einiges Interesse in Anspruch nehmen; 
nämlich zwei Fälle von Neuralgie: 
I. Ein ca. 60jähriger, seit Jahren kränklicher Herr hat gegen heftige neuralgische 
Schmerzen mehrere größere Dosen von Antipyrin, welches man jetzt bereits überall in 
den Zeitungen als Arcanum angepriesen findet, angewendet; die örtlichen Schmerzen haben 
zuerst zwar etwas nachgelassen, aber nur, um durch schlimmere allgemeine Krank 
heitszustände ersetzt zu werden, welche zweifellos infolge des Medikamentengebrauchs sich ein 
stellten und völligen Vergiftungserscheinungen gleichkamen. Es traten krampfartige, quä 
lende Empfindungen in der Magen- und Lebergegend mit Würgen und Erbrechen, völlige 
Appetitlosigkeit und Stuhlverstopfung, Angstgefühl mit großer Schwäche auf, welche Tage 
lang anhielten und den Kranken veranlaßten, in der Anstalt Hilfe zu suchen. Dieselbe wurde 
ihm auch zu Teil; aber nur allmählich verloren sich die Beschwerden und erst nachdem der 
Stuhlgang geregelt und der Appetit wiedergekehrt waren, erholte sich der Kranke ersichtliche 
und die Neuralgie des Trigeminus war gehoben. 
Die Behandlung erstreckte sich in erster Linie auf Fortschaffung des noch im Körper 
hausenden Giftes durch Einpackungen, Rumpfbäder, Halbbäder, Massage, hohe Klystiere bei 
strenger Diät, welche später durch eine förmliche Buttermilchkur abgelöst wurde. Beim 
Verlassen der Anstalt erklärte der Kranke, daß er sich frisch und gesund fühle, wie seit langer 
Zeit nicht mehr. Sein Körpergewicht hatte' zugenommen, sein Aussehen war ein gutes, er 
selbst, wie seine Angehörigen mir dem Erfolge der Kur völlig zufrieden. 
II. Ein zweiter Fall von Kopf- und Gesichtsschmerz, welcher regelmäßig des 
Morgens bald nach dem Aufstehen begann und bis Mittag anhielt, betraf einen Mann von 
45 Jahren, welcher, an diesem Übel schon lange leidend, alle möglichen Medikamente, auch 
Chinin, ohne irgend welchen andern Erfolg dagegen angewandt, als den, daß er nur um so 
elender und schwächer geworden war. Appetitlosigkeit, Stuhlverstopfung, starke Abmagerung, 
graugelbe Gesichtsfarbe, übler Geruch aus dem Munde, allgemeine Schlaffheit und Unlust 
— das waren sicher die Wirkungen des Arznei-Mißbrauchs bei dem nunmehr auch magen 
leidendes Patienten. Unter Anwendung von Dampfkompressen, Sonnenbädern, Einpackungen, 
Sitz- und Fußbädern wurde, bei genauen Diätvorschriften, z. B. auch derjenigen, daß der 
Kranke ganz früh im Bett, nach Entfernung der Leib- und Wadenpackungen mit darauf 
folgender lauer Abreibung, schon liegend etwas zu sich nehmen mußte, und erst nach einiger 
Zeit dann aufstehen durfte. Der Erfolg war ein glänzender: Nach 5 Wochen bereits waren 
die neuralgischen Schmerz-Anfälle zugleich mit dem Körpergewicht gehoben, das Allgemein 
befinden ebenfalls, der Stuhlgang regelmäßig (hierbei sei erwähnt, daß der Kranke aus 
schließlich von Fleischkost, Wein 2c. gelebt hatte, welche hier alsbald durch strenge vegetarische 
Diät ersetzt wurde); der Appetit ausgezeichnet, Lebenslust und Kraftgefühl wieder, wie früher, 
vorhanden. — 
Diese beiden Fälle beweisen unanfechtbar, daß unsere Methode in kurzer Zeit auch 
da noch Heilung bringen kann, wo die Medizinbehandlung nicht nur gegen das ursprüng 
liche Leiden sich gänzlich machtlos erweist, sondern weiterhin Schaden gestiftet und neue Krank 
heitserscheinungen hervorgerufen hatte, die den Kranken schlimmer quälten, als das Übel, 
gegen welches er Hilfe gesucht hatte. 
Dr. Winchenbach.
	        
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