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dabei auf eine mehr als 40 jährige Praxis und auf die Thatsache, daß Fieber
kranke eine Abneigung gegen Dampfbäder haben. „Wo entschiedene Fieber-
bewegungen im Blute herrschen, da sind beruhigende, tränkende, kühlende An-
wendundsformen am Platze".
Die nachfolgenden Zeilen sollen zur Aussprache der praktizierenden
Naturheilkundigen über den in Rede stehenden Gegenstand und zur Klärung
der dabei im Spiel kommenden Fragen anregen.**)
Holten wir uns, um die Wirkung von Dampfbädern in akuten Zuständen
zu erklären, an den Begriff vom Wesen des Fiebers, wie die Naturheilkunde
es auffaßt und nach welchem dasselbe aus der Summe der Erscheinungen
eines in unserm Organismus sich abspielenden Heilvorganges besteht. Diese
Erscheinungen sind:
1. Abgeschlagenheit. Der Organismus spart Kraft für den zu
beginnenden Heilkampf.
2. Appetitlosigkeit. Der Körper hat mit Auslösung und Ausschei
dung der, die trophischen Nerven belastenden, in ihrer Thätigkeit störenden
Stoffe so viel zu thun, daß eine Verwendung der im gewöhnlichen Maße
zugeführten Nährstoffe nicht möglich ist, weshalb das Verlangen darnach, das
Hungergefühl, aufhört.
3. Frostgesühl bis Schüttelfrost mit meist trockener, heißer Haut.
Eine Verhinderung der Wärmeabgabe und Wasserverdunstung behufs
Aufspeicherung von Wärme und Wasser, wofür unter anderm das be
stehende Verlangen nach heißen Getränken spricht, welche denn auch immer
„gut bekommen."
4. Hoher Puls. Beweis vermehrter Lebensthätigkeit, behufs Lösung
und Ausscheidung der störenden Stoffe und Wärmeerzeugung durch Er
höhung des Blutdruckes.
5. Hohe Körpertemperatur. Eine Folge der vorigen Erscheinung
und begleitet, je nach dem Grade des Fiebers und des Kräfte- und sonstigen
Zustandes des Kranken, von einem mehr oder minder deutlich ausgesprochenen
Verlangen entweder nach warmem oder kühlem Wasser.
6. Kritische Ausscheidungen und Wohlbefinden. Beweis des
errungenen Sieges und wiedererlangter Gesundheit.
Also Kraft, Wärme und Wasser sind die Waffen, deren sich der
Organismus in seinem Heilkampfe bedient und welche zu erhalten und zu
steigern er sichtliche Vorkehrungen trifft und bedeutende Anstrengungen macht.
Die Wärme ist, um mit Rikli zu reden, das eigentlich herrschende
Lebensfluidum auch im Fieber. Wo sie nicht mehr vorhanden, nicht mehr
erzeugt wird, da erstirbt das Leben. Was aber thun wir mit der einseitigen
Anwendung kalten Wassers? Wir bekämpfen sie und gehen somit ähnlich
vor wie die Allopathie. Zwar lähmen wir nicht, sondern „beruhigen" nur;
immerhin aber meistern wir doch den Organismus und wollen die in ihm
waltenden Naturgesetze verbessern und nur verbessern, nicht wirklich unter
stützen. Haben wir hierzu volles Recht? Kennen wir ihn wirklich so ganz
genau, diesen Organismus und seine Verrichtungen, daß wir als Meister ihm
gegenüber auftreten können? Unterstützen wir ihn durch kühle Umschläge in
ausreichender Weise und so, wie wir es uns einbilden? Rikli sagt: Wo
Fieberbewegungen im Körper herrschen, da gehören beruhigende, tränkende,
kühlende Applicationen hin. Die Haut tränken, — das wäre etwas wirklich
**) Wir begrüßen diese Anregung mit Freuden und hoffen auch für unsre nicht-
ärztlichen Leser Erfolg davon. D. Red.