Volltext: Der Naturarzt 1889 (1889)

160 
dabei auf eine mehr als 40 jährige Praxis und auf die Thatsache, daß Fieber 
kranke eine Abneigung gegen Dampfbäder haben. „Wo entschiedene Fieber- 
bewegungen im Blute herrschen, da sind beruhigende, tränkende, kühlende An- 
wendundsformen am Platze". 
Die nachfolgenden Zeilen sollen zur Aussprache der praktizierenden 
Naturheilkundigen über den in Rede stehenden Gegenstand und zur Klärung 
der dabei im Spiel kommenden Fragen anregen.**) 
Holten wir uns, um die Wirkung von Dampfbädern in akuten Zuständen 
zu erklären, an den Begriff vom Wesen des Fiebers, wie die Naturheilkunde 
es auffaßt und nach welchem dasselbe aus der Summe der Erscheinungen 
eines in unserm Organismus sich abspielenden Heilvorganges besteht. Diese 
Erscheinungen sind: 
1. Abgeschlagenheit. Der Organismus spart Kraft für den zu 
beginnenden Heilkampf. 
2. Appetitlosigkeit. Der Körper hat mit Auslösung und Ausschei 
dung der, die trophischen Nerven belastenden, in ihrer Thätigkeit störenden 
Stoffe so viel zu thun, daß eine Verwendung der im gewöhnlichen Maße 
zugeführten Nährstoffe nicht möglich ist, weshalb das Verlangen darnach, das 
Hungergefühl, aufhört. 
3. Frostgesühl bis Schüttelfrost mit meist trockener, heißer Haut. 
Eine Verhinderung der Wärmeabgabe und Wasserverdunstung behufs 
Aufspeicherung von Wärme und Wasser, wofür unter anderm das be 
stehende Verlangen nach heißen Getränken spricht, welche denn auch immer 
„gut bekommen." 
4. Hoher Puls. Beweis vermehrter Lebensthätigkeit, behufs Lösung 
und Ausscheidung der störenden Stoffe und Wärmeerzeugung durch Er 
höhung des Blutdruckes. 
5. Hohe Körpertemperatur. Eine Folge der vorigen Erscheinung 
und begleitet, je nach dem Grade des Fiebers und des Kräfte- und sonstigen 
Zustandes des Kranken, von einem mehr oder minder deutlich ausgesprochenen 
Verlangen entweder nach warmem oder kühlem Wasser. 
6. Kritische Ausscheidungen und Wohlbefinden. Beweis des 
errungenen Sieges und wiedererlangter Gesundheit. 
Also Kraft, Wärme und Wasser sind die Waffen, deren sich der 
Organismus in seinem Heilkampfe bedient und welche zu erhalten und zu 
steigern er sichtliche Vorkehrungen trifft und bedeutende Anstrengungen macht. 
Die Wärme ist, um mit Rikli zu reden, das eigentlich herrschende 
Lebensfluidum auch im Fieber. Wo sie nicht mehr vorhanden, nicht mehr 
erzeugt wird, da erstirbt das Leben. Was aber thun wir mit der einseitigen 
Anwendung kalten Wassers? Wir bekämpfen sie und gehen somit ähnlich 
vor wie die Allopathie. Zwar lähmen wir nicht, sondern „beruhigen" nur; 
immerhin aber meistern wir doch den Organismus und wollen die in ihm 
waltenden Naturgesetze verbessern und nur verbessern, nicht wirklich unter 
stützen. Haben wir hierzu volles Recht? Kennen wir ihn wirklich so ganz 
genau, diesen Organismus und seine Verrichtungen, daß wir als Meister ihm 
gegenüber auftreten können? Unterstützen wir ihn durch kühle Umschläge in 
ausreichender Weise und so, wie wir es uns einbilden? Rikli sagt: Wo 
Fieberbewegungen im Körper herrschen, da gehören beruhigende, tränkende, 
kühlende Applicationen hin. Die Haut tränken, — das wäre etwas wirklich 
**) Wir begrüßen diese Anregung mit Freuden und hoffen auch für unsre nicht- 
ärztlichen Leser Erfolg davon. D. Red.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.