Volltext: Der Naturarzt 1889 (1889)

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Möchte ich noch Hinweisen, worauf bisher noch nie geachtet wurde, nämlich daß, 
wie alle Körper, auch der Körper des Schwitzenden durch die Wärme an Umfang 
zunimmt. Wenn man eines Patienten Oberschenkel vor und nach dem Dampf- 
bade mißt, so kann man einen um circa 1 ein vermehrten Umfang constatiren. 
Um wieviel wird demnach der ganze Körper an Umfang, an ausscheidender 
Fläche zunehmen? 
Aus dieser natürlich nicht erschöpfenden Abhandlnng ersehen wir, wie 
sehr nicht nur allein die Praxis, sondern auch die Theorie für die Naturheil- 
melhode neue, interessante Gesichtspunkte erschließt. Wir vergessen nicht über 
dem Heilen von Krankheiten den inneren wissenschaftlichen Ausbau der Methode. 
Was könnten wir alles leisten, hätten wir nur erst eine Ktinik für Natur 
heilmethode. 
„Ein Riesenexsudat und ein Lungenabsceß." 
von Arnold Rikli, Naturwissenschaft!. Arzt in Veldes und Florenz. 
Diesen Titel, obwohl mit demselben grundsätzlich nicht einverstanden, 
wählte ich just als Beispiel, um auseinanderzusetzen, daß wir Naturärzte nie 
bloße Krankheitsnamen als Titel aufstellen, sondern hauptsächlich erkrankte 
Personen, d. h. ihre Lebenskraft im Auge haben sollten. Dies ist eines 
der wichtigsten Mittel, den althergebrachten Glauben des Publikums, bezw. die 
Gewohnheit der Medizinärzte zu zerstören, als sei die Namenstaufe (Diagnose) 
der Krankheit die Hauptsache, um dieselbe heilen oder vertreiben zu köunen. 
Behandeln wir eine kranke Person stets genau nach ihrer Lebensthätigkeit oder 
Rückwirkungskraft (Reaktionsfähigkeit) anregend oder beruhigend, so können 
wir damit nie. wenigstens nicht nachhaltig, fehlgehen. Krankheitsnamen sind 
etwas so Unbestimmtes, Unsicheres, daß schon begriffshalber unzählige Irrtümer 
vorkommen. Dies wird durch die Thatsache bestätigt, daß, wenn verschiedene 
Ärzte zu Kranken, welche mit inneren Krankheiten behaftet sind, gerufen werden, 
ohne sich miteinander verständigen zu können, fast jeder dem Kinde einen anderen 
Namen giebt, also eine abweichende Diagnose stellt. Ich erinnere hier nur 
an den Streit der zur Behandlung des unglücklichen Kaisers Friedrich III. 
herbeigerufenen Ärzte, obwohl dieselben das angebliche Krankheitsobjekt vor 
Augen hatten, d. h. oft genug mit dem Kehlkopfspiegel schauten, sowie 
mikroskopisch und chemisch untersuchten. 
Selbst die größten Diagnostiker haben sich zeitweilig gewaltig geirrt, 
wieviel aber erst der große Haufen der Arzte! Wieviel falsche Diagnosen deckt 
das stille Grab zu! Und doch, wie erhaben dünken sich die bevorrechteten 
Heilkünstler über uns Naturärzte; wie stolz sind sie auf ihr diagnostisches 
Wissen! „Ihr armen Schlucker könnt ja keine Diagnosen stellen!" Das ist der 
Hauptvorwurf, den sie gegen uns schleudern. Nun gut! Wir machen keinen 
Anspruch auf die zweifelhafte Kunst der Krankheitstaufe, aber heilen können 
wir, d, h. die Natur, mit unserer naturgemäßen Unterstützung. Tausenden 
und aber Tausenden verschafften unsere einfachen Anwendungsformen Gesund 
heit, Arbeitskraft, Familienglück, und zwar auch Solchen, welche die bevorrechtete 
Heilkunde, trotz ihrer hochgepriesenen Diagnosen, teils lange Zeit nutzlos ge 
peinigt, teils zu elendem Siechtum herunter kurirt hatte. 
Wohl die meisten Leidenden dürfen mit dem Ausspruch eines unserer 
intelligentesten Patienten einverstanden sein, welcher einem sich über uns lustig- 
machenden Arzt zur Antwort gab: „Lieber ist mir's, ohne Diagnose
	        
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