Volltext: Der Naturarzt 1889 (1889)

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mehr glätter sich die Brandung im Innern. „Wirf' ab, Herz, was dich 
kränket, und was dir bange macht" — das ist der Refrain des Liedes, welches 
das Meer endlos singt. Wer könnte sich seiner gesundmachenden Wirkung 
entziehen! 
Was oben bei den Flußbädern gesagt wurde, gilt in vollem Umfange 
auch für die Seebäder. Vor allem sichere man sich die günstige Wirkung der 
Luft und des Sonnenlichts auf den gebadeten Körper und versäume nicht, 
während des Badens fleißig mit Seewasser zu gurgeln, das Wasser durch die 
Nase auszustoßen und Mundbäder in der oben beschriebenen Weise zu nehmen. 
Doch erscheint die Warnung am Platze, das Baden in der See nicht zu über 
treiben. Bekanntlich behaupten die Küstenbewohner, daß zu einer „Kur" 
mindestens 30 Bäder gehören. Eine kräftige, gesunde Person wird bei länge 
rem Aufenthalte mit Vorteil über diese Zahl hinausgehen dürfen. Kränkliche, 
Schwächliche, besonders aber Nervöse sollten jedoch nur bei schönem ruhigen 
Wetter baden und lieber ein Bad zu wenig, als eins zu viel nehmen. Es ist 
nicht selten, daß sich Uebertreibung durch Verstärkung des Leidens (erhöhte 
Nervosität, Schlaflosigkeit) rächt, und daß der Betreffende elender zurückkehrt, 
als er hingegangen ist. 
Der Umstand, daß Seebäder schwächlichen Personen, besonders auch Kindern, 
vortrefflich bekommen, führt vielfach dazu, zu Hause laue Bäder (25—26°) 
mit einem Zusatze von Seesalz (oder Kreuznacher Mutterlauge rc.) 
anzuwenden. Zweifellos wird auch dadurch eine günstige Wirkung erreicht 
werden können, aber nicht deshalb, weil das Seesalz eine spezifische, gegen 
gewiffe Krankheiten gerichtete Wirkung auszuüben vermag, sondern weil die 
lauen Bäder die Haut zu erhöhter Thätigkeit und dadurch den Stoffwechsel 
anregen. Versäumt man während solcher „Kur" nicht, die übrigen Faktoren 
in Wirksamkeit treten zu laffen, welche den Stoffwechsel günstig bceinfluffen 
(reine Luft bei Tag und Nacht — Bewegung — zweckmäßige Nahrung), so 
wird dieselbe eine dem Seebade ähnliche Wirkung hervorzubringen vermögen. 
in. 
Werfen wir nun noch einen Blick auf diejenigen Bedingungen, unter 
denen Badereisen von Vorteil für Patienten sein werden. Daß ich nicht zu 
denen gehöre, welche den „wirksamen" Bestandteilen der Mineral-Wäsier und 
-Bäder einen besonderen Wert beimessen, dürfte sich aus dem fiüher Gesagten 
schon ergeben, ja ich bin ketzerisch genug, zu behaupten, daß der Gehalt an 
Glaubersalz, Bittersalz, Kochsalz, an Kalksalzen. Schwefel, Esen, Jod, Brom, 
an freier Kohlensäure, freiem Schwefelwasserstoff rc. sogar einen schädlichen 
Einfluß auszuüben vermag, insbesondere dann, wenn das betreffende 
Wasser zu einer Trinkkur benutzt wird. Gibt doch schon der Umstand 
zu denken, daß es den Tieren — deren natürlicher Instinkt durch keine Kultur 
verdorben ist — nie einfallen wird, aus solchem „Gesundbrunnen" zu trinken. 
Wenn auch jährlich Tausende an den „Heilquellen" von Karlsbad, Marienbad, 
Kissingen, Homburg, Teplitz^ Warmbrunn, Salzbrunn etc. Linderung und selbst 
Heilung finden, so kehren doch auch viele zurück, ohne daß die erwartete 
Besserung eingetreten ist, oft kränker, als sie vorher waren. 
Die vielfach günstige Wirkung einer Brunnen- oder Badekur erklärt 
sich auch, ohne daß die „heilkräftigen" Bestandteile des Wassers in Rechnung 
gezogen werden; während ungünstiger Erfolg außer aus die Strapazen der 
Reise fast ausnahmslos auf die Wirkung des „Brunnens" zurückgeführt werden 
muß. Zunächst sei an die bekannte Thatsache erinnert, daß eine Brunnenkur zu 
Hause selten denselben günstigen Erfolg hat, als eine am Badeorte stelbst aus-
	        
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