Volltext: Der Naturarzt 1889 (1889)

Stoffe durch die Haut ins Blut übergeführt würden und dadurch eine Heilung 
gewisser Leiden zuwege brächten, eine Anschauung, welche schon deshalb nicht 
stichhaltig erscheint, weil die hornartige obere Hautschicht die Aufnahmefähig 
keit der Haut in hohem Maße einschränkt, so daß nur nnter der Anwendung 
kräftigen Reibens und hoher Temperaturen (bei heißen Bädern, Dampfbädern) 
eine Aufnahme mineralischer Stoffe durch die Haut angenommen werden kann. 
Wenn trotzdem in vielen Fällen die günstige Wirkung des Seebades bei den 
genannten Krankheitsformen klar zu Tage tritt, so ist dies zum Teil auf die 
Wirkung dcs kühlen Bades im allgemeinen, zum andern aber auf Einwirkun 
gen zurückzuführen, welche allerdings dem Seebade als solchem eigentümlich 
sind, aber mit seinem Gehalte an gelösten Mineralien nur nach einer gewissen 
Richtung hin im Zusammenhange stehen. 
Wir lernten eingangs- als wesentliche Wirkung jedes kühlen Bades kräf 
tige Anregung des Stoffwechsels (lebhafte Blutzirkulation, vermehrte 
Ausscheidung, erhöhten Verbrauch, demzufolge verstärktes Bedürfnis nach Nah 
rung und Luft), günstige Ernährung des Körpers, sowie Kräfcigung der 
Nerven kennen, und da das Seebad diese Wirkung — wie wir sehen werden 
— in hervorragendem Maße haben muß, so läßt es sich erklären, daß durch 
dasselbe alle diejenigen Zustände günstig beeinflußt werden können, welche auf 
dem Darniederliegen des Stoffwechsels, auf fehlerhafter Blutbildung und Blut 
mischung, auf ungenügender Blutzirkulation, sowie auf mangelhafter Ernährung 
beruhen, welche auf Ablagerungen von Krankheitsstoffen in einzelnen Organen, 
sowie endlich auf geschwächte Nerven zurückzuführen sind; es wird ferner er 
klärlich sein, daß das Seebad ein vorzügliches diätetisches Mittel zur Verhü 
tung derartiger Zustände sein muß. 
Worin liegt nun die überaus günstige Wirkung der See 
bäder? 
Der Gehalt an Salz reizt die Hautnerven, regt dadurch den 
Blutlaus lebhaft an und erhöht die Wärmeproduktion des Körpers. Wir 
empfinden daher die verhältnißmäßig niedrige Temperatur des Seewassers 
(selten über 15°) nicht unangenehm. Wem ein Wannenbad von 25° R. zu kühl 
vorkommt, der braucht nur einige Hände voll Kochsalz ins Wasser zu schütten, 
um sofort den Reiz desselben als scheinbare Temperaturerhöhung des Wassers 
zu empfinden. Die Wirkung des Salzgehalts wird verstärkt durch Tausende 
von Sandkörnchen, welche jede Welle an unsern Körper wirft, die Anregung 
des Bades vergrößert durch den Stoß der Wellen, dem wir einen gewissen, 
oft recht kräftigen Widerstand entgegensetzen müssen, um uns auf den Füßen 
oder über Wasser zu halten. Im weiteren ist es die staubfreie, erfri 
schende Luft, welche den Aufenthalt an der See zu einem so vorteilhaften 
macht. Wer nach längerem Aufenthalte im geschloffenen Zimmer das Fenster 
öffnet, wird wahrnehmen, wie die eindringende frische Luft die Lungen zu 
tieferen Atemzügen anregt, wie unwillkürlich und unabsichtlich die 
Atmung ausgiebiger erfolgt als vorher. In ähnlicher Weise regt die reine 
staubfreie Seeluft die Atemthätigkeit an; ihr Salzgehalt übt außerdem einen 
gelinden Rerz auf die Schleimhäute der Atmungsorgane aus und verstärkt so 
den Stoffwechsel vornehmlich auch in diesen Partieen. — Endlich aber ist es 
die Gr oßartigkei. der Natur, welche erfrischend auf die ermatteten Nerven, 
erhebend auf den niedergedrückten Geist wirkt. Man empfindet es als eine 
Erlösung, für einige Zeit herausgerissen zu sein aus dem Ruß und Schmutz 
der Stadt, aus dem Joch der Alliäglichkeit, aus den tausend kleinen Sorgen, 
die das Leben mit sich bringt. Wer dächte an sich, wenn er an der Düne 
steht und auf das unendliche Meer hinausblicki! Je höher seine Wogen, desto
	        
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